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Auszeit im Alltag ­– Kirche geöffnet

Viele Menschen kommen "einfach so" in die Severinskirche während der täglichen Öffnungszeiten (9.00 Uhr bis 18.00 Uhr). Eine Gruppe ehrenamtlich engagierter Frauen und Männer steht seit einiger Zeit während der Öffnungszeiten der Kirche als Ansprechpartner zur Verfügung. Mit einem Namensschild und der Bezeichnung "Offene Kirche" weisen sie sich aus.

Einige von ihnen – Marion Creutz, Josef Lassleben, Helga Muths, Gerda Ricken und Herbert Schlösser – haben einen kleinen Ausschnitt ihrer Erfahrungen mitgeteilt. Sie stellen fest, dass der Raum auf jeden Besucher anders wirkt, jeder sich anders darin bewegt und verhält.

 

• Für manche ist die Kirche ein Raum, in dem sie Wartezeit überbrücken oder ein Treffpunkt, wenn sie sich mit jemandem verabredet haben. Besucher und auch Obdachlose setzen sich hin, um sich im Winter zu wärmen und im Sommer Kühle zu suchen. Viele Besucher, jeden Alters, setzen sich einfach in Ruhe für eine ganze Weile in eine Bank.


• Da geht jemand aufrecht und zielstrebig, das große Kreuz in Blick, durch den Mittelgang nach vorne, bekreuzigt sich und geht wieder hinaus.


• Eine Frau aus der Severinstraße kommt täglich in die Kirche und setzt sich vor den Tabernakel. Still und unbeweglich bleibt sie oft lange Zeit.


• Still in einer Bank, umgeben von großen Taschen, sitzt auch regelmäßig eine offenbar wohnungslose Frau. Sie sagt, in der Kirche hätte sie Ruhe und Schutz vor Anfeindungen und Diebstahl durch Mitbewohnerinnen im Wohnheim.


• Die Kerzenkapelle im Eingang von St. Severin liegt im Trend der Zeit: kurzer Weg, schneller Kontakt zu Gott. Es ist schon eine runde Sache, diese Verbindung aus spirituellen Gedanken und Opferhandlung mit Kerzenlicht: Zeitaufwand (geschätzte) 3,5 Minuten, Wirkung (geschätzte) 24 Stunden. Da ist es für den Menschen aus dem Vringsveedel wichtig wie täglich Brot, die Kerzenkapelle auch während der Renovierungszeit offen zu finden.

 

Kerzenkapelle ©SilviaBins• Ein Kunststudent aus Moskau weilt mit seiner Mutter wenige Tage in Köln. Er ist begeistert, den Kirchenraum und die Ausgrabungen sehen zu können.


• Ein Mann, der sich als Sänger vorstellt, betritt die Kirche. Er bittet darum, ein Lied singen zu dürfen – es sei gewiss eine gute Akustik im Raum. Nach meiner Zusage er­klingt das "Ave Maria" in herrlichem Klang.


• Die Kirche wird von vielen Besuchern als Museum betrachtet. Sie fotografieren die kunsthistorisch interessant erscheinenden Bauteile, Bilder und Figuren.


• Eine asiatische Großfamilie nutzt – nach Besichtigen und Kerzen-Anzünden – den Raum als Foto-Kulisse für Familien-Aufnahmen.

 

• Es gibt Gläubige, die die Madonna und andere Heiligenfiguren/Statuen küssen und dabei laut oder leise beten.


• Es gibt Touristen, die ganz zielstrebig die Kirche besichtigen oder auch nachfragen, wo in der Kirche sich das eine oder andere befindet. Andere besuchen alle romanischen Kirchen oder alle St. Severin-Kirchen in Deutschland.

 

• In der Advents- und Weihnachtszeit herrscht eine reges Kommen und Gehen vieler Menschen, die die Krippe besuchen. Manche lassen sich gern die besondere Gestaltung erklären.

 

• Es gibt Menschen, die erst ruhig in der Kirche sitzen und dann etwas ins Fürbitt-Buch schreiben, andere gehen direkt dorthin. Dieses Buch scheint für viele Ersatz für einen Gesprächspartner zu sein.

Der Lautenspieler lässt Besucher verweilen ©SilviaBinsDer Lautenspieler lässt Besucher verweilen ©SilviaBins

 

Der Kirchenraum ist auch Raum für Begegnung und Gespräch:
• Eine Frau betritt die Kirche und macht einen verzweifelten Eindruck. Nach einer Zeit des Schweigens berichtet sie stockend über ihren schwerkranken Mann, der auf der Beatmungsstation des nahe gelegenen Krankenhauses liegt. Ich versuche, ihr Trost zuzusprechen, was hoffentlich gelungen ist, sie wird jedenfalls ruhiger.


• Ein älterer Mann sitzt schluchzend in der Bank und erzählt mir dann, dass zwei Tage zuvor seine Frau, mit der er über fünfzig Jahre verheiratet war, verstorben ist. Der Schmerz, ja die Erschütterung über diesen Verlust werden aus seinen weiteren Äußerungen immer deutlicher. Das Leben habe für ihn keinen Sinn mehr, er wolle nicht mehr leben. Er erzählt von der schönen gemeinsamen Zeit und von schwierigen Zeiten, die er nur mit ihr gemeinsam bestehen konnte. Im Reden weicht seine Fassungslosigkeit langsam, er fühlt sich erleichtert und bedankt sich für das Zuhören. Obwohl er seit Jahrzehnten in der Südstadt wohne und weder katholisch, noch jemals bisher in dieser Kirche gewesen sei, freue er sich, dass er hier habe mit mir sprechen können. Und auch ich habe mich durch die Begegnung bereichert gefühlt.

 

• Immer wieder sucht ein muslimischer Besucher die Kirche auf und verrichtet sein Gebet hinter einer Säule, nachdem er sich seiner Schuhe und Jacke entledigt hat, um auf seiner Jacke niederzuknien. Ich komme nach seinem Gebet mit ihm ins Gespräch; es geht um seine Gebetsausrichtung gen Mekka, er ist in Sorge über die richtige Ausrichtung und darüber, dass sein Gebet mangelhaft sein könne. Ein anderes Mal kommt er eilig hinter mir her, als ich nach Beendigung meines „Dienstes“ die Kirche verlasse. Ihn beschäftigt, ob es hier nicht für die in seiner Religion üblichen Waschungen vor der Gebetsaufnahme eine entsprechende Möglichkeit gäbe. Das Problem kann ich leider nicht lösen.

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