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Wo sich Innen und Außen begegnen

Heilige Orte, Kirchen, Sakralräume haben besondere Funktionen und eine eigene Atmosphäre. Was können sie in unserer Zeit leisten? Vor allem: Welchen Beitrag hat die moderne Architektur anzubieten?

 

Der Kölner Architekt Paul Böhm hat neben Wohn-, Geschäfts- und Theaterbauten auch Kirchen wie St. Theodor in Köln-Vingst und die Kölner Zentralmoschee entworfen. Er lebt und arbeitet in der Südstadt. Über seine Vorstellungen zum Sakralbau hat der Kölner Journalist und Schriftsteller Christoph Schmitz mit ihm gesprochen.

 

Schmitz: Zwei markante Sakralbauten haben Sie in Köln gebaut, St. Theodor in Vingst und die Zentralmoschee in Ehrenfeld. St. Theodor strahlt eine meditative Ruhe aus und weist einen Wege nach innen, die Moschee mit ihrer aufgebrochenen Kuppel dagegen weist einen Weg nach außen. Das sind für mich zwei ganz unterschiedliche Raumvorstellungen.

 

Architekt Paul Böhm im Gespräch mit Christoph Schmitz ©SilviaBinsArchitekt Paul Böhm im Gespräch mit Christoph Schmitz ©SilviaBinsBöhm: Das sehe ich nicht so. Bei St. Theodor haben wir zwar versucht, einen Raum zu schaffen, der einen empfängt und umarmt und der mit seiner runden Form Ruhe und Geborgenheit vor der Außenwelt bietet, vor der Hektik der Stadt; gleichzeitig soll diese Umarmung bietende Form nicht abweisen. Das Bedürfnis nach Konzentration und Transzendenz darf nicht dazu führen, dass die Umwelt ausgegrenzt wird. Zur Offenheit von St. Theodor gehört die große Geste des Tores, das in Glas gefasst ist, oder das große Westfenster, das vom Boden hoch bis zur Decke strebt samt einer Bemalung mit Bibeltexten, die aber nicht von innen, sondern nur von außen zu lesen sind. Auch bei der Moschee wollten wir etwas Bergendes schaffen und zugleich Offenheit demonstrieren.

 

Schmitz: Das heißt, ein Sakralbau braucht beides, die Abschottung vom Lärm und das offene Ohr für die Gegenwart. Innen- und Außenraum müssen eine Schnittmenge ­bilden, Innen und Außen müssen kommunizieren.

 

Böhm: Einerseits ja, andererseits hat sich die Architektur von Sakralbauten in den vergangenen Jahrzehnten auf eine Weise der Alltagswelt geöffnet, dass diese ihre Spiritualität verloren haben. Als besondere Orte sind sie gar nicht mehr zu erkennen. Sie sind Gebrauchsräume oder Mehrzweckhallen geworden. Ich habe immer versucht, mich davon zu lösen und deutlich Stellung zu beziehen. Natürlich spiegeln sich in dieser Entwicklung auch Kirchen- und Glaubens­flucht wieder und der Verlust des Bedürfnisses, sich mit Transzendenz auseinanderzusetzen. Ich denke, wenn die Glaubens­gemeinschaften überleben wollen, müssen sie klarer in ihrer Außendarstellung sein.

 

Schmitz: Alte Kirchen, vor allem romanische und gotische, atmen Jahrhunderte der Frömmigkeit und des Gotteslobs und nehmen uns rasch auf in ihre Atmosphäre der Andacht.

 

Böhm: Das Altehrwürdige allein reicht aber nicht aus. Viele alte Kirchen sind durch ihre Ausgestaltung und Ausstattung wahnsinnig verkitscht, muffig, verstaubt. Sie sind zur Rumpelkammer für schlechte Bilder, Blumentöpfe und Häkeldecken geworden.

 

St. Severin ©SilviaBinsSt. Severin ©SilviaBinsSchmitz: Gilt das auch für St. Severin?

 

Böhm: Ich muss gestehen, ich war lange nicht da. Aber so wie ich es in Erinnerung habe, befürchte ich, ja. Damit ein Raum funktioniert, muss er verstanden werden. Dann kann man entrümpeln, damit die Kraft der Architektur zur Geltung kommt.

 

Schmitz: Für die Kirche und den Kirchraum gefallen mir nach wie vor zwei Vergleiche gut, der Vergleich mit einem Schiff und der mit einem Zelt. Das Schiff ist noch unterwegs. Das Zelt ist die Behausung der Nomaden. Es bietet Schutz, aber keinen endgültigen. Muss ein Sakralraum davon etwas haben?

 

Böhm: Auf jeden Fall muss er immer eine gewisse Dynamik haben, was übrigens für jede Architektur gilt. Der Weg ist ein wichtiges Element. Der Sakralraum hat darüber hinaus noch die Idee der Transzendenz, der Verbindung vom Hier zum Dort. Das ist etwas, das man gar nicht greifen oder eins zu eins in Architektur übersetzen kann. Der Raum unterstützt diese Vorstellung. In St. Theodor entsteht das zum Teil durch die Strukturierung der Seitenkapellen, die aufsteigen, und durch das Licht, das hinter dem Turm in den Altarraum und immer indirekt von oben auf die Wände fällt und von dort in den Raum reflektiert. Zugleich muss der Sakralraum eine gewisse Konstanz haben. Zum Meditieren und Beten braucht man einen Ruhepol, eine stabile Struktur, die Sicherheit bietet, um in der Hektik der Stadt abtauchen zu können. Ein Zelt kann das nicht leisten. Dynamik heißt, dass aus der Statik des Gebauten Bewegung entsteht.

 

Schmitz: Dynamik verhindert Bequem­lichkeit, Müdigkeit und zu große Selbst­gewissheit.

 

Böhm: Das könnte man so sagen. Ich bin sehr katholisch aufgewachsen und war lange Zeit Messdiener. Meinen Glauben heute würde ich als sehr persönlich bezeichnen. Manchmal bewundere ich Menschen, die in dieser Hinsicht viel fester sind als ich. Dennoch denke ich, dass ein Glaube immer etwas ist, das sich in Bewegung befindet, sich verändert, wächst. Das sollte ein Raum unterstützen. Es gibt Eckpfeiler und Säulen, aber darum herum entwickelt sich immer etwas Neues.

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