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Baum des Lebens

Ein siebenarmiger Leuchter in St. Maternus - was hat der jüdische Leuchter, die Menora, die in allen Synagogen steht und die Flagge des Staates Israel sowie das Parlament ziert, in einer christlichen Kirche zu suchen? Diakon Dr. Barthel Schröder geht der Frage nach.

Zunächst soll der siebenarmige Leuchter daran erinnern, dass Jesus Jude war, und dass das Erste Testament Wurzel unseres Glaubens ist. Damit sind die Juden unsere älteren Geschwister, die es zu ehren gilt. Daher schreibt Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom: " ... wenn du als Zweig vom wilden Ölbaum in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest und damit Anteil erhieltest an der Kraft seiner Wurzel, so erhebe dich nicht über die anderen Zweige. ... Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich."
Äußerlich ähnelt der Leuchter einem Baum und diese Form hat vielleicht Paulus zu seinem Ölbaum-Vergleich angeregt. Der Sockel kann als Wurzelstock, der Mittelschaft als Stamm, die seitlichen Arme als Äste und die Aufnahmen für die Kerzen als Blumenkelche verstanden werden. Ein Baum aber verändert sich, er wächst und entwickelt sich. Der Leuchter erinnert daran, dass die Kirche aufgerufen ist, sich stets weiter zu entwickeln, die Botschaft in veränderten Zeiten stets neu zu entfalten und im Glauben zu wachsen. Das feste, unveränderliche Metall, aus dem der Leuchter hergestellt ist, verweist auf ein Fundament, das nicht aufgegeben werden darf: Das Bekenntnis, dass es allein auf Jesus von Nazareth ankommt, und dass er von Gott auferweckt wurde. Der siebenarmige Leuchter ist ein Zeichen für das nie endende Spannungsfeld zwischen Alt und Neu, zwischen Beständigkeit und Erneuerung.

Siebenarmiger Leuchter vor der Holzskulptur von Franz Gutmann in der Chorapsis. ©SilviaBins
Siebenarmiger Leuchter vor der Holzskulptur von Franz Gutmann in der Chorapsis. ©SilviaBins  

Die sieben Arme sind ein Zeichen für die Vielfalt in unserer Kirche. Sie enden alle auf gleicher Höhe, so dass kein Zweig einen Vorrang hat. Keiner alleine, auch das Lehramt nicht, verfügt über die absolute Wahrheit. Das, was Gott für die Menschen ist und will, ist nur auf Basis einer einheitlichen Wurzel in Vielfalt zu verstehen. Wirkliche Einheit braucht also gegensätzliche Sichten. So ruft der Leuchter zum Dialog auf.
Nicht zuletzt erinnert der Leuchter an den Baum des Lebens im Garten Eden. Wir sind aufgerufen, unsere Welt vor dem Angesicht Gottes zu hüten und zu entwickeln, auf dass sie der neuen Erde und dem neuen Himmel nahe kommt, die uns mit der Wiederkunft unseres Herrn verheißen wurden.
Die Kerzen auf dem Leuchter werden angezündet, damit Licht in die Dunkelheit kommt – eine Erinnerung daran, dass Gott zuerst das Licht geschaffen hat als notwendige Basis allen Lebens, dass er uns als Lebenskraft trägt. Zusammen mit den jüdischen Geschwistern sollen wir Licht für die Welt sein. Daher dürfen wir unser Licht nicht unter einen Scheffel stellen, sondern müssen uns dafür einsetzen, dass die Sache des Jesus von Nazareth weitergeht.

 

Im Internet wurde eine Menora angeboten, die sehr wahrscheinlich aus der in der "Reichskristallnacht" zerstörten Synagoge Krefeld-Linn stammt. Meine Frau und ich haben sie erworben, damit sie nicht als bloße Dekoration dient. Sie erinnert mich täglich an die Wurzel meines Glaubens, an die Notwendigkeit stetiger Erneuerung im Dialog mit vielfältigen Glaubenssichten, an ein verheißenes Leben ohne Trauer, Schmerz und Tod und daran, dass ich mit Jesus von Nazareth ein Licht habe, das mir gerade auch in dunklen, schweren Stunden einen Weg weist.

Barthel Schröder

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