Erinnern und Gedenken können so die Gegenwart verändern und die Zukunft vorbereiten. Wer weiß,
wohin er nicht mehr will, hat Kriterien für Abwege und Umwege, und wer weiß, was gut war, findet
Wegweiser auf seinem Weg nach vorne.
"Gedenke!" Kaum ein Gebot der hebräischen Bibel wird dem Volk Israel so häufig ans Herz gelegt
wie dieses. Es soll sich an seine Befreiung aus Ägypten, an Führung und Bewahrung in der Wüste und
an das Geschenk des eigenen Landes erinnern.
Auch der christliche Gottesdienst ist eine Gedenkfeier. "Tut dies zu meinem Gedächtnis!", sagte
Jesus zu seinen Jüngern beim letzten Abendmahl: Im lobpreisenden Gedenken der Eucharistie will er
selbst immer wieder gegenwärtig werden und die Zukunft öffnen, die er das Reich oder die neue Welt
Gottes nennt.
Aber auch jeder und jede Einzelne hat persönlich genug Grund zu gedenken und zu danken: für
Gaben und Begabungen, Aufgaben und Erfolge oder auch dafür, dass es nicht zum Schlimmsten kam,
einem das Äußerste erspart blieb: "Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet ... In wie
viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet." (Gotteslob 392,3)
Ein Leben ohne solch ein Gedächtnis kann einen schnell undankbar werden lassen.
Glücklich ist darum nicht, wer vergisst, sondern glücklich ist, wer gedenkt, was im Leben ihm
geschenkt, wovor er bewahrt wurde oder was er überstanden hat. Das geschieht oft ganz leicht bei
einem Fest mit Erzählen und Singen, Essen und Trinken.
Solches Gedenken braucht aber auch Orte und verabredete Zeiten für ein Treffen – sie sind
wie Schutzräume gegen das Vergessen, das alles verschlingt, gegen den Lärm, der alles betäubt,
gegen die Hektik, die besinnungslos werden lässt. Gedenken braucht Zeiten der Stille, Orte der
Begegnung und gemeinschaftlichen Konzentration. Wenn Christen sich so versammeln, können sie sicher
sein, dass ER gegenwärtig ist.
Unsere Kirchen sind keine Museen des Glaubens, sondern Denkmäler, die zum Dankmahl einladen und
für den Aufbruch in die Zukunft stärken wollen. Sie sind wie Aussichtstürme, von denen man auf den
Weg, schaut der hinter und vor einem liegt, und Leuchttürme, die Richtungen weisen.
In diesem Sinne feiern wir auch unsere Kirche St. Maternus im Jahr 2016 als einen Gedenk- und
Dankort. Wir danken für allen Segen, den Menschen hier in den letzten 100 Jahren erfahren, und für
alle Orientierung, die sie hier empfangen haben.
Mit dem Gottesvolk Israel betet auch die Kirche immer wieder: "Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!" (Psalm 103,2)
Damit können wir dankbar und vertrauensvoll seiner Zukunft entgegengehen, wie immer diese
auch aussehen mag.
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Jürgen Martin