Aus welchen Wurzeln sie leben haben Menschen aus unserer Pfarrgemeinde der Pfarrbriefredaktion berichtet.
Wieslawa Wesolowska
Meine örtliche Wurzel ist wohl Berlin, die Großstadt. Sie ist der Ort meiner Geburt, Kindheit
und meines Studiums, gepflastert mit vielen intensiven Erinnerungen. Sie ist auch die Stadt der
Familie meines Vaters. Trotzdem wuchs ich dort in zwei Sprachen, Deutsch und Polnisch, auf, war und
bin meiner polnischen Nationalität verbunden, durch die Geschichte meiner Familie und die vielen
Besuche in Polen. Schon als Kind musste ich gleich bei meiner Namensnennung (er ist für deutsche
Zungen schwer aussprechbar) für meine polnische Seite eintreten, Erklärungen abgeben. Und in Polen
musste ich den mitspielenden Kindern durch deutsche Sätze beweisen, dass ich in Berlin lebte. Zwei
Wurzeln, die vielleicht deshalb nicht so tief verankert sind.
Meine Wurzel Berufswahl jedenfalls, die Schauspielkunst, bestätigt dies. Das Theater ist ein
Sammelpunkt vieler sozialer Randfiguren. Dort ist es ein Positivum viele verschiedene oder
andersartige Verhaltensweisen von Menschen zu untersuchen, nicht festgelegt zu sein, immer wieder
nachforschend zu durchleben und dies einem Publikum vorzuführen. Dieser Beruf ist einer der
Schönsten, finde ich, aber er birgt auch in sich die Verunmöglichung ihn auszuüben, dann nämlich,
wenn man kein Engagement findet.
Um zu arbeiten, kam ich durch ganz Deutschland, meine Freunde sind verteilt von Berlin über
Köln, Oldenburg, Frankfurt, Mannheim, Ulm bis Freiburg. Habe ich wenig Geld, kann ich sie nicht
besuchen. Während meiner langjährigen Engagements habe ich in acht verschiedenen Städten gelebt,
habe leider keinen Lebenspartner auf Dauer finden und auch keine Familie gründen können. Die hätten
mir vielleicht Halt gegeben in Arbeitslosenzeiten.
Dankbar bin ich für eine offene, rege Gemeinde, die ich in meiner Jugendzeit in Berlin oder
während meines dreijährigen Engagements in Ulm kennenlernte, sowie jetzt sehr intensiv hier in Köln
in St. Severin erlebe, denn zum Glück ist mir mein Glaube seit meiner Kindheit, natürlich
verändert, geblieben.
Schön wäre eine feste Arbeit, die mir meine Existenzängste nehmen und mich fester mit anderen
Menschen verbinden würde.
Marlene Wolff
Der Boden, in dem meine Wurzeln verankert sind, ist die Liebe meiner Eltern zu mir. So von ihnen
angenommen und geliebt worden zu sein, ist heute die Basis für meine Beziehung zu Menschen, die mir
begegnen.
Da sind z.B. die Patienten, die ich lange beruflich betreut habe, die Menschen in der Gemeinde,
Freunde und all die Menschen, die mir helfen und denen ich helfen kann. Sie lassen mich spüren:
"Ich bin wertvoll – so wie ich bin." Als vor einiger Zeit mein Elternhaus durch den Tagebau
weggebaggert wurde, schmerzte mich das sehr, weil nun ein wichtiger Ort in meinem Leben nicht mehr
da war. Aber umso deutlicher spüre ich, dass die Liebe meiner Eltern damit nicht ausgelöscht werden
kann, sondern zuverlässig da ist, auch wenn meine Eltern leider schon gestorben sind. Daher war es
für mich auch wichtig, bei ihrer Umbettung (auch der Friedhof musste dem Tagebau weichen) anwesend
zu sein – als ein Zeichen meiner Dankbarkeit.
Die Liebe meiner Eltern hat mir in meinem Herzen auch ein Bild der Liebe Gottes gegeben. Und ich
habe die Hoffnung, dass seine Liebe ebenso zuverlässig da sein wird, wenn ich irgendwann meine
Heimat hier verlasse. Auch diese Hoffnung haben meine Eltern mir vorgelebt, indem sie ihren Glauben
ganz selbstverständlich in ihren Alltag einbezogen haben. Die Gebete, der Segen und die Wallfahrten
meiner Eltern haben meine eigenen Glaubenswurzeln wachsen lassen. Daraus nehme ich meine Energie,
und daraus entstehen meine Lebensfragen und schließlich auch meine Antworten darauf.
Ewald Manderfeld
Meine Wurzeln liegen in der Eifel der 1960er und 70er Jahre. Aufgewachsen auf einem Mini-
Bauernhof, habe ich mich im ländlich-katholischen Kosmos immer geborgen gefühlt. Ob Absicht oder
nicht, es gab für Zukunftsängste keinen Raum, sondern das durch eine positiv gelebte Frömmigkeit
meiner Eltern unterfütterte Gefühl, alles wird ein gutes Ende nehmen.
Begrenzungen/ Einschränkungen hat es sicherlich auch gegeben, konkret benennen kann ich diese
aber nicht. Den Bauernhof gibt es noch immer, jedoch wird er nicht bewirtschaftet. Es ist aber
spannend, dass er (zumindest bei meiner Frau und mir) wieder ein Thema ist. Wir werden sehen...
Herlinde und Willi Bernsmann
Unsere Wurzeln liegen in unseren rheinisch-katholischen Elternhäusern. Es war dort einfach
selbstverständlich, katholisch zu sein und auch fest im Glauben zu stehen. Das hat uns unser ganzes
Leben über begleitet
und das haben wir auch unseren drei Töchtern mitgeben können. Unsere beiden Elternhäuser (in
Benrath und am Niederrhein) waren eng mit der Kirche verbunden und haben das auch durchgehalten
trotz mancherlei Anfechtungen und Angriffe in der Nazizeit.
In Bonn haben wir uns beim Studium kennengelernt, und seit 1957 – da haben wir geheiratet
– wohnen wir hier in der Nähe der Kirche St. Paul. Wir sind nicht nur verwurzelt in diesem
Wohnviertel, sondern auch intensiv verbunden mit der Kirche St. Paul. Der Bau war nach dem Krieg
stark zerstört. Wir haben beide auf unterschiedliche Weise mitgeholfen, dass die schweren Schäden
beseitigt werden konnten und die Kirche wieder ihre heutige Gestalt und Ausstattung bekam.
[Anm. der Redaktion: Dr. Bernsmann war mehr als 30 Jahre 2. Vorsitzender des Kirchenvorstandes
der damaligen Pfarrei St. Paul]. Nur ein ganz kleines Beispiel: Als unsere älteste Tochter
1967 zur Erstkommunion ging, haben wir Kommunionkindmütter gemeinsam mit der Pfarrers-Haushälterin
zwei Wochen lang die Kirche geputzt – nach monatelangen Wieder- aufbauarbeiten. Die
Pfarrgemeinde war glücklich, Ostern in der Kirche feiern zu können nach langer Zeit der
Ausquartierung im Paulusheim in der Loreleystraße.
Eine lange gepflege Tradition liegt uns am Herzen: Das Rosenkranzgebet jeden Mittwoch vor der
Abendmesse in der Paulus-Melchers-Kapelle. Auch wenn wir da nur ein kleiner Kreis sind, das
gemeinsame Gebet stärkt uns.
Und wir freuen uns sehr, dass unsere sieben Enkelkinder (sie sind zwischen 15 und 25 Jahren alt)
offenbar auch im Glauben Wurzeln schlagen konnten. Eine Enkelin ist mit zum Weltjugendtag nach Rio
gefahren, ihr Heimatbischof hat ein halbes Jahr lang auf sein Gehalt verzichtet, um den
Jugendlichen seines Bistums einen Reisezuschuss zu ermöglichen. Das hat uns besonders beeindruckt.
Eine kleine Madonna aus Aparecida hat sie uns mitgebracht, die hat jetzt einen Ehrenplatz bei
uns.