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Wurzeln eines Nomaden

Die Menschen teile ich ein in Nomaden und Sesshafte. Ich gehöre zu den Ersteren. Nicht nur mehrjährige Aufenthalte in Brasilien, Spanien und China belegen dies, sondern auch längere Aufenthalte in Japan, Thailand, Südafrika, Mexiko, Argentinien, Russland, Indien und Vietnam. Nicht berücksichtigt sind dabei die europäischen Länder. Die Liste meiner Wohnorte ist daher lang: Wipperfürth, Warburg, Walberberg, Brühl, Merten, Rio deJaneiro, Bonn, Weyhausen, Sant Cugat, Braunschweig, Peking und Köln. Insgesamt bringe ich es auf 16 Umzüge in 46 Jahren. Da fehlte die Zeit, um wirkliche Wurzeln zu schlagen, wie ich nun feststellen muss.

 

Doch vielleicht ist ein Nomade auf eine andere Art und Weise verwurzelt. Seine Wurzeln liegen nach meiner Erfahrung in seiner Familie und in seinem „Zelt“. Dies erklärt vielleicht, dass ich immer darauf geachtet habe, dass die Trennung von meiner Familie so kurz wie möglich war. Trat ich meine neue Aufgabe an, so war der Umzug entweder schon erfolgt oder stand kurz bevor. Und dies erklärt vielleicht auch, dass das Zuhause als mein „Zelt“ immer von großer Bedeutung für mich war.

 

Nur eines passt bei mir nicht zu einem echten Nomadenleben: die große Anzahl der Bücher, die immer mitbewegt werden mussten. Meine Schwäche hat übrigens dazu geführt, dass nach meinem Aufenthalt in China die Anzahl der Bücher, die mitgenommen werden dürfen, familiär reglementiert wurde.

 

Die Jahre, die ich nun schon in Köln bin, gehören zu meinen längsten Aufenthalten. Hier gedenkeich zu bleiben, auch wenn sich ab und zu noch der Wunsch nach einem neuen Aufbruch meldet. In Köln habe ich begonnen erste Wurzeln zu schlagen, ein Prozess, der sich schwieriger als gedacht gestaltet. Es ist ja auch nicht einfach, alte Bäume zu verpflanzen. Da braucht es Geduld, eine Eigenschaft, über die Nomaden nicht unbedingt verfügen.

 

Meine letzte Adresse wird Melaten sein. Meine sterblichen Überreste werden dort über Wurzeln, Bäume und Pflanzen Wachstum und Leben ermöglichen, denn als Natur -wissenschaftler weiß ich, dass Materie nicht vernichtet, sondern nur umgewandelt werden kann. Wenn das schon für die Materie gilt, so wird es auch für das gelten, was mich als Mensch eigentlich ausmacht. Und so glaube ich fest daran, dass Gott mich und mein unstetes Leben zur Vollendung und Ruhe führen wird. Aber wer weiß, vielleicht gibt es auch im seinem Reiche wieder Nomaden und Sesshafte. Ich lasse mich überraschen.

 

Barthel Schröder, Diakon

 

 
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