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Beim Wolf von Gubbio

Obdachlosenseelsorge in der Kölner Innenstadt

Wer mit offenen Augen durch das Severinsviertel geht, dem begegnen viele obdachlose Menschen. Sind sie dauerhaft entwurzelt? Diese und andere Fragen hat Claudia P. (Pfarrbriefredaktion) der Obdachlosenseelsorgerin Schwester Franziska gestellt.

Schwester Franziska (Olper Franziskanerin) arbeitet zusammen mit Bruder Markus (Franziskaner) seit sieben Jahren im Auftrag des Erzbistums Köln als Obdachlosenseelsorgerin in der Kölner Innenstadt. An den meisten Tagen sind die beiden auf den Straßen und Plätzen der Stadt unterwegs und bieten Menschen auf der Straße ihre Hilfe an. Sie nennen das "aufsuchende Seelsorge".

Dienstags und mittwochs sind die beiden in der Ulrichgasse anzutreffen. Hier befindet sich gleich neben der ehemaligen Franziskanerkirche St. Marien die Anlaufstelle "Gubbio", der Ort der katholischen Obdachlosenseelsorge in Köln. An beiden Tagen wird dort nicht nur Kaffee und Kuchen angeboten, sondern es gibt auch eine Fülle von unterschiedlichen spirituellen Angeboten.

Ein Mal im Monat, samstags um 17.00 Uhr, feiern ungefähr 40 Personen die Heilige Messe, und anschließend gibt es noch ein gemütliches Beisammensein. Die Menschen dürfen dazu ihre Hunde mitbringen, auch in die Kirche. Das ist für viele sehr wichtig.


 

Warum haben Sie den Namen "Gubbio" für die Obdachlosenseelsorge gewählt?
Es gibt eine Legende aus dem Leben des Heiligen Franz von Assisi: Ein Wolf hat die Einwohner der Stadt Gubbio bedroht – er soll nicht nur Tiere, sondern auch Menschen verschlungen haben, und niemand wagte sich mehr aus der Stadt. Franziskus ist ihm furchtlos entgegengetreten und hat ihm im Namen Gottes Einhalt geboten. Der Wolf und die Bewohner der Stadt haben sich versöhnt. Der Wolf gelobte Frieden und die Bewohner gelobten, ihn zu ernähren. Franziskus lamentiert oder predigt nicht, sondern er handelt in großem Gottvertrauen beherzt und mutig. Er konfrontiert den Wolf mit seinem Tun, und gleichzeitig wagt er es, ihm vollkommen gewaltlos zu begegnen. Diesem Beispiel versuchen wir zu folgen.

 

Kann man sagen, dass die Menschen, mitdenen Sie zu tun haben, entwurzelt sind?
Es gibt gar nicht viele allgemeingültige Aussagen über die Menschen, die wir hier oder auf der Straße treffen. Wer Arbeit, Partner und Kinder und schließlich auch noch die Wohnung verloren hat, wer dazu dem Alkohol verfallen ist, dem fehlen sicherlich auch die Wurzeln.
In den letzten Jahren hat übrigens die Zahl der Menschen, die aus anderen Ländern, z.B. aus Osteuropa, nach Köln gekommen sind und die hier keine feste Bleibe haben, sehr zugenommen. Manche haben in ihren Heimatländern Not und Verfolgung erlitten. Sie sind nach hier gekommen, um Arbeit zu finden. Das gelingt aber nur den wenigsten. Legal dürfen viele von ihnen auch gar nicht hier arbeiten. Staatliche Transferleistungen erhalten sie nicht. Sie sind oft doppelt wurzellos, weil ihnen das wichtige Moment der Sprache fehlt. Wir können sie dann auch nur schwer auf Hilfsangebote aufmerksam machen, da sie uns ja nicht verstehen.

 

Was können Sie dann überhaupt leisten?
Manchmal können wir tatsächlich mit Menschen auf der Straße nur gemeinsam ihre Situation aushalten.

 

Ist mit dem Finden einer Wohnung das Problem schon so gut wie gelöst?
Keinesfalls. Manche Menschen sind gewissermaßen in der Wohnungslosigkeit verwurzelt. Sie haben viele Kontakte, sie kennen sich in allen Hilfseinrichtungen gut aus, man kennt sie, weiß ihren Namen. Eine kleine Wohnung irgendwo am Stadtrand ist für sie nicht unbedingt erstrebenswert. Sie würden befürchten, dort zu vereinsamen.

 

Können Sie durch ihre Arbeit dazu beitragen, dass Menschen wieder Wurzeln schlagen?
Wer gerade erst obdachlos geworden ist, der hat gar nicht die Ruhe, seelsorgerische Angebote anzunehmen Er hat ständig Termine, z.B. bei Behörden. Besonders schwer haben es auch psychisch Kranke. Sie schaffen es oft nicht, Hilfe anzunehmen. Zu uns ins "Gubbio" kommen oft auch Menschen, die ein wenig stabiler sind: ehemals Obdachlose oder Menschen, die akut von Obdachlosigkeit bedroht sind, aber noch eine Wohnung haben. Die jenigen,die regelmäßig hierher kommen, haben hier eine Art Verwurzelung. Sie empfinden "Gubbio" als ihre Gemeinde, obwohl wir das im eigentlichen Sinne gar nicht sind. Sie bringen sich als Lektoren, Ministranten oder Küster ein. Sie halten die Kirche sauber und übernehmen Aufgaben in der Küche. Sie tragen eine gewisse Verantwortung, auch wenn nicht alle immer ganz zuverlässig sind. Ohne ihre Mitarbeit könnte vieles hier gar nicht stattfinden, denn wir haben hier ja keine weiterenfesten Mitarbeiter. Das stärkt die Menschen. Sie erfahren hier, dass sie etwas wert sind.

 

Fühlen sich obdachlose Menschen wertlos?
Sehr viele. Hier setzt unsere Arbeit an. Wir nehmen die Menschen zuerst einmal so, wie sie sind. Und dann versuchen wir Ihnen zu vermitteln, dass Gottes Liebe auch für sie gilt, dass auch sie etwas wert sind. Auch Jesus hat sich immer an die Seite der Ausgegrenzten gestellt. Unsere Aufgabe besteht darin, zuzuhören, Trost zu spenden, miteinander zu reden und zu beten, Not mit auszuhalten. aber auch zu notwendigen ersten Schritten zu ermutigen.

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