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Springer und Fänger

Der niederländische Priester, Psychologe und geistliche Schriftsteller Henri Nouwen erzählt über eine Begegnung mit Zirkus-Trapezkünstlern. In seinem Buch „Die Gabe der Vollendung" schreibt er:

 

Eines Tages saß ich mit Rodleigh, dem Leiter der Truppe, in seinem Wohnwagen und unterhielt mich mit ihm übers Fliegen durch die Luft. Er sagte:

 

„Als Luftspringer muss ich absolutes Vertrauen auf den haben, der mich auffängt. Sie und das Publikum halten vielleicht mich für den großen Star am Trapez, aber der wirkliche Star ist Joe, mein Fänger. Er muss für mich im Bruchteil einer Sekunde parat sein und mich aus der Luft angeln, wenn ich im hohen Bogen auf ihn zufliege."

 

„Wie klappt das immer?", frage ich zurück.

 

„Nun, das Geheimnis besteht darin, dass der Flieger nichts tut und der Fänger alles! Wenn ich auf John zufliege, muss ich bloß meine Arme und Hände ausstrecken und darauf warten, dass er mich auffängt und sicher auf die Rampe zurücksetzt."

 

„Und Sie tun dabei nichts!", erwiderte ich ziemlich überrascht.

 

„Nein, gar nichts," wiederholte Rodleigh. „Das Schlimmste, was der Flieger tun kann, ist, nach dem Fänger greifen zu wollen. Aber ich soll ja nicht Joe auffangen, sondern er mich. Würde ich nach Joes Handgelenken greifen, könnte ich sie brechen, oder er könnte die meinen brechen, und das wäre für uns beide das Aus! Ein Flieger soll nichts als fliegen, ein Fänger nichts als auffangen; und der Flieger muss mit ausgestreckten Armen völlig darauf vertrauen, dass sein Fänger im richtigen Augenblick nach ihm greift."

 

In: Henri J.M. Nouwen, Die Gabe der Vollendung. Mit dem Sterben leben. Aus dem Amerikanischen übertragen von Bernardin Schellenberger, Verlag Herder GmbH, Freiburg i.Br 1994, S. 81-82.

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