Eine der fünf vom Bistum für die Erarbeitung eines Pastoralkonzeptes vorgegebenen Säulen
lautet: „Missionarisch Kirche sein“. Mit diesem Gedanken haben wir uns im
Pfarrgemeinderat sehr schwer getan, weil viele Menschen mit dem Begriff Mission Vorgänge in
vergangenen Jahrhunderten verbinden, in denen Menschen mit Gewalt zum Christentum bekehrt wurden.
Wenn wir aber das Wort Mission = Sendung im biblischen Sinn verstehen als ein Wirken im Namen Jesu
(vgl. Matthäus 28,16-20), mit dem, was wir sagen und tun, wenn wir es verstehen als Auftrag, bei
den Menschen zu sein, ihre Sehnsüchte und Wünsche, ihre Hoffnungen und Enttäuschungen, ihre Fragen
und Nöte wahrzunehmen, dann ist eigentlich alles, was wir tun, in einem guten Sinn
attraktiv-missionarisch – oder eben auch nicht. Das fängt an mit der Arbeit im
Familienzentrum, in Krabbelgruppen und Kleinkindergottesdiensten, geht weiter über Liturgie,
Caritas und Glaubensgespräche und vieles andere mehr bis hin zu Seniorenkreisen, Gottesdiensten in
Altenheimen und Besuchen bei alten und kranken Menschen. Die Art und Weise, wie wir als Einzelne
oder gemeinsam da sind – nicht fehlerfrei, aber offen und ehrlich – ist entscheidend
dafür, ob wir missionarisch wirken oder nicht.
Unterschiedliche Beispiele zeigen, auf welche Weise das gelebt wird:
Offene Kirche
„Nah bei den Menschen“... mit Blick auf dieses Leitwort hat der Pfarrgemeinderat im
August 2012 die Initiative „Offene Kirche“ ins Leben gerufen. Stundenweise sind
Ansprechpartner in der Kirche anwesend. Noch decken sie nicht alle Öffnungszeiten ab, aber
„ein Anfang ist gemacht, und es kommen neue hinzu“, freut sich Albert Müller, der die
Aktion koordiniert.
Jeden Tag besuchen 100 bis 200 Menschen die Severinskirche in den Öffnungszeiten zwischen 9.00
Uhr und 18.00 Uhr. Manche möchten nur eine Kerze anzünden, andere suchen die Gelegenheit zu
Besinnung, Stille und Gebet. Nicht selten suchen sie auch Ansprechpartner für vielfältige Fragen,
sei es zum Kirchenbau oder zur Gemeindearbeit, sei es in ganz persönlichen (auch religiösen)
Problemen oder Lebenskrisen.
Herbert Schlösser ist von Anfang an dabei. Besonders beeindruckt hat ihn ein langes Gespräch mit
einem Mann, dessen Frau wenige Tage zuvor gestorben war. „Er war völlig am Boden zerstört.
Ich hoffe, dass mein Zuhören ihm hat helfen können. Beim Abschied bedankte er sich, bisher habe er
nie den Weg in diese Kirche gefunden, in der er sich nun so gut fühle. Gerda Ricken erzählt von
einem jungen Mann, der fragte, ob er auch in seiner Religion beten dürfe in der Kirche. Es ist ein
Moslem, der sich nach der positiven Antwort auf seine Frage einen Platz in einer Nische der Kirche
aussuchte, um dort – nach Mekka gewandt – seine Gebete zu verrichten.
Im Rahmen der „offenen Kirche“ entwickelte auch ein Gespräch mit Monika Mathar.
„Zum Gottesdienst komme ich selten“ sagt sie, „aber in der Kirche bin ich oft.
Wie schön, dass sie offen ist, da finde ich Kraft in Zeiten, in denen ich das brauche.“ Und
im Zuge des längeren Gespräches wird deutlich, dass sie in der Kirche, aber auch im Viertel gern
und manchmal ungewöhnlich fotografiert. Fotos von ihr finden sich deshalb in dieser
Pfarrbriefausgabe.
Gespräche im Kreuzgang
Menschen, die neu in unsere Pfarrei ziehen, werden einmal im Jahr eingeladen zu einer
„exklusiven“ Führung durch die Severinskirche und im Anschluss zu einem Empfang im
Kreuzgang. Mehrere hundert Menschen werden jedes Jahr angeschrieben; es kommen meist 20 bis 30
Frauen und Männer aller Altersstufen, Familien mit Kindern. „Es erschreckt uns nicht, dass
nur ein kleiner Teil der Eingeladenen kommt“, sagen die Vorstandsmitglieder des
Pfarrgemeinderates, der diese Aktion initiiert hat. „Die Einladung selbst ist ein wichtiges
Zeichen des Interesses an den Menschen.“
Bei Sekt und Selters bewundern die Gäste den Kreuzgang, die blühenden Rosen, aber wichtiger ist
ihnen das Gespräch mit Menschen aus der Pfarrgemeinde.
Anna Maiworm ist eine der Eingeladenen:
„Zunächst war ich verwundert, dass die Gemeinde mich persönlich zu einem Kennenlernen
einlädt, doch rückblickend ist diese Begrüßung eine wundervolle Erfahrung, die mich sehr bereichert
hat. Nicht nur die Freundlichkeit und Offenheit der Organisatoren, sondern auch die ungezwungene
Atmosphäre der gesamten Veranstaltung machten das Treffen zu einem besonderen Erlebnis.
Eindrucksvoller Höhepunkt war der exklusive Rundgang durch die Krypta und die Ausgrabungen direkt
unter dem Kirchenschiff von St. Severin. Niemals hätte ich solch einen atemberaubenden Schatz der
Geschichte in den Gewölbekellern der Kirche vermutet. Die kompetente und gleichzeitig lebendige
Führung durch die Ausgrabungen mit über 1100-jähriger Geschichte zeigt die Entwicklung Kölns und
der Kirchenbaustile hautnah.
Wieder im Heute angekommen konnte man sich mit liebevoll vorbereiteten Schnittchen und
Getränken im Kreuzgang der Severinskirche stärken, Eindrücke austauschen, andere Besucher und
Aktive der Gemeinde im ungezwungenen Gespräch näher kennenlernen. Gerne denke ich an diesen
Nachmittag zurück, der einen positiven Eindruck von St. Severin bei mir hinterlassen
hat.“
Kunst und Musik
sind spirituelle Portale, die Menschen einen neuen Zugang zu Fragen des Glaubens eröffnen
können.
So die Feststellung der Kundschaftergruppe. Missionarisch Kirche sein heißt also auch,
musikalische und künstlerische Impulse zu nutzen, um Menschen unterschiedlicher Altersstufen,
unterschiedlicher Bildungs- und Erfahrungsgrade und sozialer „Schichten“ erreichen zu
können.
Auf vielfältige Weise lädt die Gemeinde daher Menschen aller Altersstufen zum Zuhören und
Musizieren ein. Chöre und Instrumentalgruppen sind ein wichtiger Faktor bei der Gestaltung der
Gottesdienste. Die regelmäßig angebotenen Konzerte klassischer und neuzeitlicher Musik werden von
vielen Menschen besucht.
Literatur und Musik verbinden sich in den regelmäßigen Veranstaltungen „St. Severin lässt
lesen...“ in der Katholischen öffentlichen Bücherei (KÖB) St. Severin. Der Vortrag
ausgewählter Prosa oder Lyrik zusammen mit instrumentaler Musik, die auf die Lesungsinhalte
abgestimmt ist, findet positive Resonanz. Die KÖB selbst bietet nicht nur Gelegenheit zur Ausleihe
der reichen Literaturauswahl, sondern lädt auch mit deutlich erweiterten Öffnungszeiten zu
Begegnung und Austausch ein.
Darüber hinaus gibt es eine lange Tradition von Kunstausstellungen in der Kirche St. Maternus.
Das Projekt „Kunst in Maternus“ nimmt ernst, dass die heutige Zeit eine Zeit der Bilder
ist – damit ist es nah bei den Menschen. Der seit vielen Jahren an St. Maternus tätige Kreis
wird in veränderter Formation auch künftig Werke von Künstlern präsentieren. Hierbei werden gewiss
neben dem „persönlich berührt sein“ und dem „Erklären“ und
„Aufklären“ der Kunst wiederum Prozesse des Hinterfragens und Reflektierens, auch in
der direkten Konfrontation mit der darstellenden Kunst erfolgen. Das wird unterstüzt durch das
Begleitprogramm zu den Ausstellungen.
Zahlreiche Kunstschätze lassen sich in den Kirchen unserer Gemeinde finden. Sie reichen von
mittelalterlichen Gemälden und Holzschnitzarbeiten über Stoffe aus dem 4. Jahrhundert bis hin zu
zeitgenössischen Glasfenstern und neuzeitlichen Sakralgegenständen. Führungen, deren Angebot
deutlich erweitert wurde, lassen Kinder, Jugendliche und Erwachsene hautnah erfahren, wie sich die
Kirche und das Glaubensleben in den Jahrhunderten entfaltet und verändert haben.