"...un jetz och noch en Pastoralkonzept!"
So oder so ähnlich wurde und wird in so manchen Gemeinden unseres Bistums gestöhnt und geklagt,
nachdem unser Erzbischof in einer Pressekonferenz im Herbst 2007 (die "neue" fusionierte
Kirchengemeinde St. Severin war gerade mal gut neun Monate alt) den Startschuss für eine
Konzeptionierung in allen Gemeinden bzw. Gemeinde-Verbänden gab "für eine Weiterentwicklung der
Seelsorge, die wir überschrieben haben mit dem Leitwort 'Wandel gestalten – Glauben
entfalten'"…
Die schönste Bemerkung dazu hörte ich zufällig auf der Severinstraße: "Häste schon jehoot, die
vun d’r Kirch han jetz och en Motto!" "Nä, dat darf doch nit wohr sin. Do fählt jo jetz nur
noch, dat die Nikuta et Motto-Leed schriev!"
Kardinal Meisner führte in seiner Presseerklärung aus: "Vor Ort müssen die Schwerpunkte der
zukünftigen Arbeit gemeinsam entwickelt werden. Hier geht es ausdrücklich nicht um einen
aufwändigen Prozess, in dem über Jahre ein Leitbild oder ein bis ins Detail ausgefeiltes Konzept
beraten wird. Ziel ist vielmehr, dass Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam den Rahmen definieren, in
dem sie in den nächsten Jahren zusammenarbeiten wollen und vor allem die Schwerpunkte der
seelsorglichen Arbeit festlegen…
Die Entwicklung des Pastoralkonzeptes ist für die Seelsorgebereiche eine wirkliche Chance neue
Wege zu gehen. Und ich sage ganz ausdrücklich: Wege, die wir jetzt noch nicht kennen. Um diese Wege
zu finden und zu entwickeln, müssen wir die Lebenswelt der Menschen besser kennen."
Vielleicht ist das Wort "Pastoralkonzept" nicht glücklich gewählt. Aber als Grundanliegen dürfen
wir doch, wie alle Gemeinden unseres Bistums in ihrer jeweiligen Unterschiedlichkeit, wahrnehmen:
eine Einladung,
- gemeinsam innezuhalten und zu schauen, was in unserer Gemeinde an Lebendigkeit war, was ist und
was vielleicht einmal sein wird
- gemeinsam wahrzunehmen, was der oft in einem Severinuslied besungene "Umbruch der Zeit" mit uns
macht
- gemeinsam Akzente und Prioritäten zu setzen, zu gestalten, nach neuen Ideen Ausschau zuhalten
sowie nach Menschen guten Willens, die uns bei der Umsetzung von neuen Ideen helfen können
- nicht zuletzt auch dazu, uns einvernehmlich von Dingen zu verabschieden, die sich als nicht
(mehr) hilfreich erwiesen haben.
Warum sollten wir eine solche Einladung ausschlagen? Zumal es sich im Laufe der letzten Monate
erwiesen hat, dass kein Pastoralkonzept wie das andere ist, sondern eher wie eine je eigene Blume
in einem erstaunlich bunten Blumenstrauß von frischen Ideen und konkreten Projekten. Wir hier
dürfen "Severin" sein und müssen nicht Wipperfürth, Neuss oder Königswinter-Niederdollendorf
imitieren.
Aber was macht uns "Severiner" eigentlich aus? Welche Möglichkeiten haben/nutzen wir? Was bewegt
die Menschen rund um den Chlodwigplatz? Was bewegt uns?
Schon seit vielen Jahren versuchen wir, konkret und praktisch, aber eben nicht konzeptlos unser
Gemeindeleben zu gestalten. Mir fiel eben das Protokoll eines Seelsorgeteam-Klausurtages von 1997
in die Hände. Darin heißt es: "Als christliche Gemeinden Lebenshilfe für die Menschen in der
Südstadt/rund um den Chlodwigplatz sein. Unter diesem Leitwort haben wir uns konzeptionelle
Gedanken gemacht." U.a. hieß das damals konkret: Ansprechbar sein, Begegnungsräume schaffen, Eltern
suchen Sinn und Gruppen für ihre Kinder, Ausschau halten: Welches kreative Potential ist da?,
unterschiedliche Leute an einen Tisch bringen, welche Menschen leben hier in unserem Bereich?,
welche Geschichten (auch mit Gott) haben die Menschen, welche Riten und Gewohnheiten?
…
In vielen Gesprächen, Treffen, Begegnungen, Konferenzen, Pfarrgemeinderats-Wochenenden wurden
diese und andere Fragen weiter diskutiert. "Kundschafter" wurden beauftragt, die
Lebenswirklichkeiten und -perspektiven in den Blick zu nehmen und auszuwerten. Am 11.12.2011 stand
dann das auch von uns neu eingeforderte Pastoralkonzept mit dem Leitwort: "Als Glaubende den
Menschen im Veedel nahe sein." Es ist inzwischen in einem Gespräch mit Prälat Hermann-Josef
Rademacher und Fridolin Löffler (Hauptabteilung Seelsorgebereiche im erzbischöflichen
Generalvikariat) wohlwollend bestätigt worden und wird nun auf der jährlichen Klausurtagung des
Pfarrgemeinderates neu angeschaut, mit der (weiter entwickelten) Lebensrealität verglichen und den
"Umbrüchen der Zeit" gemäß fortgeschrieben.
Das Pastoralkonzept ist also weder einengende Fessel noch abschottende Burgmauer, hinter der wir
uns verkriechen, sondern eher Leuchtturm oder Leitplanke – uns helfend, die Orientierung
nicht zu verlieren und unseren Weg zu und mit den Menschen zu finden. Nach dem Evangelium hat
alles, und damit auch jedes (Pastoral-)Konzept, dem Leben zu dienen – und nicht
umgekehrt.
Ich wünsche unserem Leben und Arbeiten mit dem Pastoralkonzept hier in unserem Veedel für uns
und für alle, denen wir begegnen, die nötige Offenheit und Frische, Gelassenheit und Zuversicht,
Gottvertrauen und Ermutigung, Raum für neue Erkenntnisse und Erfahrungen und nicht zuletzt auch
den Mut, Fehler zu machen.
Ihr und Euer Pastor Johannes Quirl