Wie kam es zu dieser Veränderung? Es gab dafür sicher viele Gründe.
Ein Grund dürfte die Lehre von der „Erbsünde“ gewesen sein. Die Menschen fragten
sich: „Warum gibt es so viel Böses in der Welt? Woher kommt das Böse? Wir wollen gut sein und
liebevoll leben. Und doch gibt es in jedem Menschenleben Bosheit und Sünde.“ Das hat man
versucht, mit der Lehre von der „Erbsünde“ zu erklären. Von Adam und Eva an würde das
Böse von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Alle Menschen seien mit dieser Schuld belastet.
Und nur durch die Taufe könne der Mensch von der Erbsünde befreit werden. Das konnte man zwar nicht
nachprüfen, und die Erde wurde nicht auch unbedingt besser und heiler, wo getaufte Menschen lebten,
aber alle haben daran geglaubt.
Dies hatte auch sehr praktische Folgen. Ein ungetauftes Kind wurde nicht durch den Priester und
schon gar nicht in „geweihter“ Erde, d.h. auf einem kirchlichen Friedhof begraben. Und
es konnte auch nicht das jenseitige Heil erreichen, sondern kam in den so genannten limbus
puerorum, die Vorhölle. Darum hatten die Eltern, die für ihr Kind natürlich alles erdenklich Gute
tun wollten, ein hohes Interesse daran, es möglichst schnell taufen zu lassen. Bei einem solchen
Verständnis der Taufe gerieten der Glaube und das Bekenntnis zu Jesus arg in den
Hintergrund.
Nachdem der Papst nun aber die Vorhölle, den Ort, der für die ungetauften Kinder bestimmt
gewesen sein soll, „abgeschafft“ hat, sieht man das natürlich etwas anders. Die
entscheidende Weichenstellung geschah im II. Vatikanischen Konzil (Okt. 1962 bis Dez. 1965): Jeder
Mensch, der ehrlich nach seinem Gewissen lebt, wird das ewige Heil erlangen, auch wenn er nicht
getauft ist.
Mit diesen Überlegungen über jenseitige Bereiche tun wir uns heute etwas schwer. Darum sind die
diesseitigen Zeichen, die mit der Spendung der Taufe verbunden sind, umso ausdrucksstärker und
lebendiger.
In der Taufe wird jedem das Kreuzzeichen auf die Stirn gezeichnet und damit gesagt: „Du
gehörst nicht dem Staat, nicht deinem Arbeitgeber, nicht der Kirche – sondern allein dem, dem
wir das Leben verdanken.“ Und wir glauben, dass Gott zum Täufling die gleichen Worte spricht,
die er zu Jesus gesagt hat, als dieser im Jordan getauft wurde: „Du bist mein geliebter
Sohn“, oder, so dürfen wir heute hinzufügen: „meine geliebte Tochter“.
„Ich liebe dich! Ich will, dass du bist, dass du so bist, wie du bist, mit all deinen
Möglichkeiten und all deinen Grenzen.“
(Die Bedeutung der anderen Zeichen des Sakramentes werden im Artikel „Wirksame
Zeichen“ auf S. 20 erläutert.)
Alle christlichen Kirchen verbindet der Glaube an die eine Taufe. Wer getauft ist, ist getauft.
Das kann man nicht rückgängig machen, das kann man nicht wiederholen. Man kann auch nicht, wie so
oft gesagt wird, „umtaufen“. Wenn jemand aus einer Kirche austritt und in eine andere
Kirche eintritt, wird die Taufe nicht wiederholt.
Und so sollten wir – ähnlich wie bei der Frage nach dem halbleeren oder halbvollen Glas
Wasser – zuerst mal das Positive, das Gemeinsame aller Christlichen Kirchen sehen, das uns
durch die Taufe geschenkt wird: Wir gehören durch die Taufe zu dem pilgernden Gottesvolk, wir
gehören Jesus Christus an. Und alle konfessionellen Unterschiede verlieren dann etwas von ihrer
Bedeutung. „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe!“ (Epheserbrief Kapitel 4, Vers 5)
Johannes Krautkrämer, Pfarrvikar