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Was vermisst ein junges Mädchen, wenn es mit 15 Jahren das Elternhaus verlässt und erst zwei
Jahre später wieder zurück kommt? Und was gewinnt es beim Weggehen – und beim Heimkommen?
Seit September 2011 lebt Johanna wieder in Köln mit ihrer Familie, zu der auch zwei Brüder (14 und
16 Jahre alt) gehören. Sie ist jetzt 18 und sprach über die unterschiedlichen Erfahrungen mit
Ingrid Rasch von der Pfarrbriefredaktion.
In der Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums entscheidet sich die 15jährige Johanna zu einem für
sieben Monate geplanten Aufenthalt in Irland. Sie ist nicht die einzige in der Klasse, wohl aber
die jüngste.
Sie erlebt es als Privileg, dass die Eltern ihr das finanziell ermöglichen und ihr diesen
Schritt zutrauen. Im Sommer 2009 tritt sie die Reise an. „Ich hatte keine Übung im Wegsein
von zu Hause“, meint sie, „ich war zwar öfter unterwegs mit dem Chor (sie singt im
Mädchenchor am Dom), aber das war was ganz anderes.“
Die Gastfamilie – ein Ire und eine Tschechin mit zweijährigem Sohn – lebt in einer
Kleinstadt auf einer Halbinsel, sehr ländlich, ohne öffentliche Verkehrsmittel, sehr abgeschieden,
jeder kennt jeden. Eine andere Welt. Nach Ablauf der vorgesehenen Zeit entscheidet Johanna sich
nach gründlichem Abwägen, das Abitur in Irland zu machen und bleibt insgesamt zwei Jahre dort. In
dieser Zeit wird ein weiteres Kind in der Gastfamilie geboren. Zu ihrer eigenen Familie hält sie
Kontakt mit Telefonaten einmal wöchentlich – ganz bewusst nicht häufiger, so wollten es auch
die Eltern.
Was hat sie verloren bei diesem Schritt in eine anderes Land? „Die Sicherheit, die ich in
meiner Familie hatte, die Routine, dass ich wusste, wo es lang geht, und natürlich meine Freunde
haben mir gefehlt.“ Es ist schwer, sich in einer fremden Sprache auszudrücken, schwer zu
erfahren, „Ausländerin“ zu sein. Es gibt festgefügte Kreise in der Schule, und es
kostet Überwindung, aktiv darauf zuzugehen. Sie musste sich manchmal Mut zureden. Und ganz einfache
Dinge haben ihr gefehlt: das Frühstück am Samstag in der Familie, mit Freunden abends feiern oder
ganz simpel das Straßenbahnfahren. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal
vermisse!“
Um die Entscheidung für oder gegen die Fortsetzung zu treffen, hat sie Listen gemacht mit
Argumenten „im Kopf und im Herzen“. Das „Ja” zu Irland hat sie nie bereut.
„Die Zeit hat mich gestärkt, ich bin dickhäutiger geworden, ich habe ein ganz anderes
Selbstbewusstsein bekommen. Ich kann jetzt viel leichter auf Menschen zugehen.“ Johanna hat
offenbar auch einen starken Rückhalt in ihrer Gastfamilie gefunden. Der Zweijährige war für sie
wichtig, zu ihm hat sie ein inniges Verhältnis bekommen. „Wir konnten beide nicht gut
sprechen, es war wunderbar gerade am Anfang, dass ich diesen Kontakt hatte.“ Der Gastvater
(40) und die Gastmutter (30) sind sehr weltoffene und weit gereiste Menschen, mit denen es viele
intensive Gespräche gab. Sie hatten auch Verständnis, wenn sie nicht jeden Tag strahlend aus der
Schule kam.
Bedrückt hat sie die Enge der Kleinstadt, viele Regeln und Tabus, rigide moralische Prinzipien,
gegen die Jugendliche rebellieren. Als Konsequenz, meint sie, würden „sexuelle Beziehungen
sehr viel früher eingegangen als hier, ich habe viele junge Mütter erlebt“. Die Gottesdienste
fand sie sehr traditionell, „Gebete wurden runtergerasselt, das kannte ich so überhaupt
nicht“. Das wurde auch nicht besser, als Johanna in einen Kirchenchor ging.
Zurück in Köln hat sie sich in den ersten Wochen sehr schlecht gefühlt. „Ich hätte nicht
gedacht, dass mich das so mitnehmen würde, richtig fertig war ich, reizbar, ungeduldig“.
Schule und Aufgaben in der Familie fehlen ihr, ein Studienplatz ist noch nicht in Sicht. Und sie
vermisst den intensiven Austausch mit den Gasteltern. So schön es ist, wieder in der eigenen
Familie zu sein, so schwierig ist es, sich nach so langer Zeit der Eigenständigkeit wieder in die
Kinderrolle einzufinden. Jetzt macht sie ein Praktikum und hofft, bald einen Studienplatz zu
bekommen, dann wird sie das Elternhaus endgültig verlassen. „Ich bin sehr dankbar, dass meine
Eltern mir ermöglicht haben, diese Erfahrungen zu machen, dass sie mich haben gehen lassen, das war
für sie sicher auch nicht immer leicht.“
Übrigens: Wer Johanna sieht, könnte sie sofort für eine Irin halten!
Das Gespräch mit Johanna führte Ingrid Rasch.