Die Zeit zwischen Karfreitag und Ostersonntag ist uns irgendwie abhanden gekommen. Da diese
Zeit im Gegensatz zu den anderen Tagen der Karwoche liturgisch eher „tot“ ist, wird der
Karsamstag im Glauben so gut wie gar nicht reflektiert.
Die Zeit zwischen Karfreitag und Ostersonntag ist die Zeit der Gottesfinsternis, der
Sprachlosigkeit und der Ohnmacht.
Mit den Worten „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ endet das Leben des
Jesus von Nazareth am Kreuz. Auch er, fassungslos wie seine Jünger, versteht den Gott, den er Vater
nannte, nicht mehr, erfährt ihn mit aller Härte als den Abwesenden, als den, der nicht eingreift,
als den, der Opfern menschlicher Ungerechtigkeit nicht beisteht. Sprachlos sind alle diejenigen,
die auf diesen Wanderprediger gesetzt haben. Sie finden keine Worte der Erklärung für dieses Ende.
Die Männer flüchten in ihren alten Beruf und wollen nur vergessen. Die Frauen schauen schweigend
und leidend aus der Ferne zu, um dann dem Leichnam einen letzten Dienst zu erweisen.
Auch Jesus, dem überzeugenden Prediger, sind die eigenen Worte ausgegangen, greift er doch vor
seinem letzten Atemzug auf einen Psalm zurück. Ohnmächtig müssen alle diejenigen, die auf ihn
setzten, mit ansehen, wie er, der jede Form von Gewalt ablehnte, unschuldig Opfer staatlicher und
religiöser Gewalt wird.
Spiegelt der Karsamstag nicht unsere heutige Lebenssituation wider, nimmt sie vorweg?
Papst Benedikt XVI. hat von der „Gottesfinsternis“ in der heutigen Welt gesprochen.
Auch wir machen immer wieder in unserem Leben die Erfahrung der Abwesenheit Gottes, seiner Ferne,
einer tief empfundenen Unerreichbarkeit. Gerade in den Grenzerfahrungen unseres Lebens vermissen
wir sein Eingreifen. Unverschuldeter Verlust des Arbeitsplatzes, lebensbedrohliche Erkrankungen bei
Menschen, die uns nahe stehen, der Tod derjenigen, die uns am Herzen liegen, machen auch uns
sprachlos, lassen auch uns unsere Ohnmacht spüren. Menschliches Leben ist nicht selten ein erst mit
dem Tod endender Karsamstag.
Uns geschieht Recht, denn es kann uns nicht besser gehen als Ihm, den wir unseren Herrn und
Bruder nennen. Doch einen Vorteil haben wir gegenüber dem Wanderprediger am Kreuz. Wir wissen, dass
Er auferweckt wurde, dass Gott Ihn und seine Botschaft mit der Auferstehung bestätigt hat. Und so
dürfen wir die Hoffnung hegen, dass auch uns dieses Schicksal erwartet. Wir können also bei Ihm
bleiben und dafür sorgen, dass seine Sache hier und heute weitergeht. Wohin auch sollten wir gehen?
Nur Er hat Worte des ewigen Lebens.