Waren wir je so reich wie heute? Hatten wir je so viel? Manche Leute meinen, dass selbst die
Armen hier zu Lande im Durchschnitt heute länger leben als die Reichen von 150 Jahren, und dass sie
heute mehr gesunde Jahre haben als jene früher. Doch dieses Pfarrblatt widmet sich nicht dem
materiellen Reichtum, sondern dem Reichtum, den wir fühlen.
„Wer viel hat, hat viel’ Probleme.“ Diesen Satz habe ich von einem berühmten
koreanischen Lehrer gelernt, einem Buddhisten, der sich dem Christentum sehr nahe fühlt. Und er hat
Recht: Wenn ich darüber nachdenke, was mich reich macht, sehe ich als erstes, was mich unglücklich
macht.
Ich denke an meinen Besitz, meinen Status, meine Rente, meine Gesundheit und merke, wie sehr ich
mich darum sorge. Dann sehe ich auch den Stress und den Ärger, den ich mit den vielen Dingen habe.
Zum Beispiel meinen neuen teuren Computer mit der vielen teuren Software und den vielen
angeschlossenen Geräten, die ständig nach Pflege rufen: Sie gehen kaputt, veralten, müssen
installiert und konfiguriert werden – kurzum: Sie bilden eine empfindliche technische
Infrastruktur, deren Kosten-Nutzen-Relation erstaunlich leicht in Schieflage gerät. Dann sehe ich
die viele Energie und das viele Geld, das ich aufwende, um etwas zu erreichen, von dem ich nicht
weiß, ob es das wert ist: Bequemlichkeit, Status, Anerkennung, Zerstreuung, Anregung und Genuss.
Ich fühle mich arm, wenn ich über einen Misserfolg verzweifelt bin oder wenn ich das Gefühl habe,
dass ein Berg Arbeit vor mir liegt und ich mich in Zeitnot wähne.
Dann kann es passieren, dass ich von meinen Gefühlen überrannt werde und vor Wut koche.
Natürlich besinne ich mich bald und ich merke auch schnell, dass ich mich unbedingt wieder
beruhigen muss, doch ich frage mich: Wie kann das sein, dass ich so außer mir gerate, wegen
Lappalien, an die ich mich schon Stunden später nicht mehr genau erinnere? Diese Wut kann
doch nur aus einem Gefühl der Leere entstehen – einem Gefühl, dass das Leben gerade ohne Sinn
ist.
In dem Film Kill Bill taucht ein japanisches Gedicht auf, das dieses Gefühl sehr eindringlich
darstellt. Es beschreibt, wie Samurai in diesen Geisteszustand geraten können: Sind sie in einen
Kampf verwickelt, kann es sein, dass sie nur den Sieg sehen. Sie unterdrücken dann jedes Mitgefühl
und all ihre Menschlichkeit. Sie töten dann jeden, der sich ihnen in den Weg stellt und sei es auch
Gott oder Buddha. Dieser Satz beschreibt eine große Armut: enges Denken, Tunnelblick,
Kontrollverlust.