Sie sind katholischer Priester, haben also ein Amt in der Kirche und das seit 46 Jahren.
Wer Sie erlebt, hat den Eindruck, dass Sie das gerne sind. Ist das so?
Ja, es stimmt oder mit Edith Piaf: „Ich bereue nichts“ – außer meine Fehler
und Nachlässigkeiten. Mit dem Begriff „Amt“ tue ich mich etwas schwer, ich bevorzuge
das gut jesuanisch begründete Wort „Dienst“, der aber ist für mich
„hauptberuflich“, also existentiell. Ich finde kein anderes Wort dafür als
„Berufung.“
In den langen Jahren gab und gibt es es vermutlich „Last und Lust“. Können Sie
uns ein Beispiel für das eine und für das andere nennen?
Berufung hat auch mit Leidenschaft zu tun, d. h. auch, Belastungen ausgesetzt zu sein und
darunter leiden und darüber klagen zu dürfen. Konkrete Belastungen habe ich am Ende meiner
offiziellen Dienstzeit als Ortspfarrer/Gemeindeleiter erfahren durch die immer neuen
verwaltungmäßigen und strukturellen Veränderungen, die das Bistum wollte, und die verbunden waren
mit Kürzungen der Mitarbeiter im Leitungs-Team, sowohl der Priester- als auch der
Laienseelsorger.
Heute empfinde ich als wirklich bedrückende Belastung die tatsächliche, nicht nur herbeigeredete
Kirchenkrise. Das heißt konkret: Ich bin enttäuscht, traurig und zornig, wie sich die
institutionalisierte Kirche in den oberen Hierarchierängen aufstellt. Sie verweigert sich in diesem
Punkt der Selbstkritik, und sie führt kein Gespräch darüber, wie sie mit ihrer Sprache und
Außendarstellung bei den Menschen ankommt. Es bleibt fraglich ob es ihr gelingt, neue theologische,
geschichtliche und naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse in die Verkündigung
einzubeziehen.
Ich habe mir ein Wort des evangelischen Alttestamentlers Jürgen Ebach zu Eigen gemacht:
„Widerspruch und Treue schließen sich nicht aus.“ Das will ich für mich beherzigen, in
Wort und Tat umsetzen, vor allem in Gespräch und persönlicher Weiterbildung, konkret im
„Seniorenstudium“ an der Uni Bonn. Das macht mir Lust.