In der ersten Hälfte ihre Lebens hat Ingrid Wilden (60) zur Kirche gehört, wurde getauft, ging
zur Erstkommunion, wurde gefirmt, fuhr mit Jugendlichen der Pfarrei ins Ferienlager, heiratete
kirchlich; und dann trat sie mit 30 aus der Kirche aus. Die Ehe wurde damals geschieden, es gab
große finanzieller Probleme. „Da habe ich jeden Groschen umgedreht, und die Kirchensteuer war
einfach zuviel.“ Seither fühlt sie sich nicht mehr zugehörig, erlebt sich fremd und anders.
Wenn sie ab und an einmal an einem Gottesdienst teilnimmt, dann hat sie den Eindruck, „jeder
merkt, dass ich nicht wirklich dazugehöre.“ Und auch unabhängig von dieser Empfindung legt
sie bei sich einen strengen Maßstab an: „Wenn ich ausgetreten bin, dann muss ich auch mit der
Konsequenz leben.“ Lange Jahre hat sie in der Severinstraße gewohnt. Seit einiger Zeit lebt
sie im Schatten der Kirche St. Aposteln, aber: „Wenn ich mir vorstelle, wieder zu einer
Kirchengemeinde zu gehören, dann nur zu St. Severin. Im Severinsviertel fühle ich mich zu Hause,
hier habe ich zwanzig sehr schöne, aber auch bittere Jahre meines Lebens
verbracht.“
Inzwischen ist ihre finanzielle Situation nicht mehr angespannt. Sie kann sich Wünsche erfüllen,
und sie ist großzügig mit Spenden. Auch die Caritas der Gemeinde St. Severin wird bedacht. Seit
geraumer Zeit denkt sie über einen Wiedereintritt nach. Dennoch beschäftigt sie die Sache mit der
Kirchensteuer, die sie am liebsten für die Gemeinde ihrer Wahl einsetzen würde. Sie kann aber auch
sehen, dass es viele wichtige Aufgaben gibt, die über die Pfarrgemeinde hinaus gehen.
Der Glaube an Gott ist für sie selbstverständlich und fraglos, ebenso wie das Gebet. „Für
mich ist es der liebe Gott seit meinen Kindertagen, auch wenn es auf der Welt nicht immer lieb
zugeht. Ich finde es schrecklich, wenn Menschen diesen Glauben nicht haben.“ Neben dieser
Glaubensgewissheit gibt es auch belastende Erinnerungen aus der religiösen Erziehung in der Schule:
„Das Jesuskind will nichts von dir wissen, wenn du nicht brav bist!“ – diese
Mahnung der Lehrerin ist ihr genauso in Erinnerung wie deren energischer Hinweis, beim späteren
Kennenlernen eines Mannes immer zuerst zu fragen, ob er auch katholisch sei. Emotional wirkt das
immer noch, stellt Ingrid Wilden zu ihrem Erstaunen fest. Sie hofft auf gute neue Erfahrungen,
falls sie sich für den Wiedereintritt entscheidet.