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Gehen oder bleiben – austreten oder auftreten?

 

©SilviaBins©SilviaBinsViele Katholiken fragen sich das heute, viele aber auch nicht mehr. Sie sind längst gegangen. Nie waren es so viele wie im vergangenen Jahr. „Selber schuld!“, schallt es aus der extrem konservativen Ecke, die das zweite Vatikanische Konzil am liebsten streichen möchte. Hat doch dieses letzte Konzil den Glaubenssatz von der „alleinseligmachenden Kirche“ relativiert und mit Mehrheit festgestellt, dass jeder Mensch, der ehrlich und aufrecht nach seinem Gewissen lebt, selig werden kann, auch außerhalb der Kirche. In einer freien Welt – so das Konzil – kann es nur eine freie Kirche geben, die den Menschen diese Freiheit zugesteht.

„Wollt auch ihr gehen?“, fragt Jesus im Johannesevangelium (Kapitel 6, Vers 67) seine Freunde, als nach einer Krise viele Menschen sich von Jesus abwandten. Die Antwort des Petrus: „Zu wem sollen wir gehen, du hast Worte ewigen Lebens.“ Petrus geht es also nicht ums Weggehen irgendwoanders hin. Es geht ihm um Jesus oder einen andern Meister oder Lehrer, von dem er lernen kann. Es geht um eine Beziehung, um Lernen, um Freundschaft, um etwas, wovon Petrus etwas hat. „Du hast Worte ewigen Lebens.“

Die Pfarrer kennen die allermeisten Leute, die heute aus der Kirche austreten, weder mit Namen noch vom Ansehen. Christen, die in einer Gemeinde mehr oder weniger engagiert sind, die hin und wieder zu den Gottes­diensten kommen, denken vielleicht wie Petrus: Du hast Worte ewigen Lebens! Ich habe etwas davon, wenn ich hier mitmache, wenn ich meinen Glauben mit den anderen Christen leben und teilen kann. Es geht um Beziehungen, um Freundschaft und Heimat. Es sind die „treuen Kirchenfernen“ denen angesichts der vertuschten Missbrauchsfälle, der Dialogunfähigkeit und vieler anderer Ärgernisse der Kragen platzt und die dann gehen: „Mit dem Kirchensteuer-Geld kann ich was Besseres machen.“

Doch durch die Zusammenlegung kleiner Gemeinden zu XXL Gemeinden, durch überlastete „Leitende Pfarrer“ wird die Anonymität in den Gemeinden gefördert, die Ferne vergrößert. „Für uns ist keiner mehr zuständig.“  „Da ist jeden Sonntag ein anderer Priester am Altar.“ „Nach der Messe sind die immer ganz schnell weg, mit denen kann man gar nicht mehr reden!“ Stimmen von Betroffenen aus neuen Seelsorgekolchosen.

Doch da, wo ich gehört werde, wo ich mitreden kann und wo man mich einigermaßen kennt, da ist ein Stück Heimat. Da gehe ich nicht weg.

 

© Silvia Bins© Silvia BinsWas wäre, wenn Jesus heute in dieser Kirche ein ganz einfaches Mitglied wäre? Mein alter Religionslehrer hätte uns diese Frage verboten. Aber stellen wir sie mal. Würde man Jesus den Mund verbieten und ein Buß­schweigen verordnen, wie es von Galilei bis Boff viele getroffen hat? Oder würde man ihm ein Lehrverbot erteilen wie Küng oder Berger, würde man sich weigern ihn als Gemeindeleiter zuzulassen? Denn so wie er damals mit religiösen Traditionen, die das Leben eng machen und Angst erzeugen, in Konflikt geriet, so würde er heute ganz sicher für die wiederverheirateten Geschiedenen eintreten und sich mit ihnenzu Tisch setzen, d.h. Eucharistie feiern. Oder würde Jesus nach einige Zeit merken: Der Laden ist so mittelalterlich und so verkrustet, da tut sich nichts mehr! Ich mach was Neues auf und fange noch mal an!

 

Die Kirche sollte eigentlich dafür da sein, die Liebe zu leben. Die Liebe zu den Menschen, wie immer sie sein mögen. Über alle Gebote und Regeln, über ihre Dogmen und Traditionen, über alles sollte sie die Liebe stellen und leben, beispielhaft vorleben.

 

„Es überzeugt mich nicht, wenn nur zitiert wird oder Katechismuswahrheiten referiert werden. Man muss erkennen können, dass und wie der Glaube Menschen heute im Leben und Sterben hilft.“ (Klaus-Peter Jörns, evangelischer Theologe)

 

Ich denke da manchmal an Weichtiere, die nur mit einer Schale oder einem Schnecken­haus durchs Leben kommen. Das Leben selbst ist zart und sehr verletzbar und muss geschützt werden. Aber ein hartes Schneckenhaus muss mitwachsen, muss sich dem zarten Leben anpassen, sonst wird es zu einem Gefängnis. Die Kirche muss mit dem lebendigen Glauben der Christen mitwachsen und sich ändern, sonst wird sie zu einem Gefängnis. Bitte, liebe „Oberkirche“, verändere dich, höre auf die Menschen, rede und lehre mal weniger und wachse mit den Menschen, sonst wirst du zum Gefängnis, und die Menschen wandern aus.

 

Johannes Krautkrämer Pfarrvikar

 
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