Gemeindemitglieder berichten, wie sie den Sonntag verbringen.
Alleinsein am Sonntag ist besonders schwer...
dann vermisst Anneliese T. ihren Mann, der vor sechs Jahren verstorben ist, ganz besonders. Die Woche bewältigt die 75jährige Witwe gut. „Ich bin aktiv, gehe zum Sport, pflege Kontakte, halte Haus und Garten in Ordnung, bin noch jeden Tag mit dem Auto unterwegs, auch in die Stadt, obwohl es mit der Straßenbahn bequemer wäre. Ich will mir aber weiterhin etwas abverlangen und möglichst lange unabhängig bleiben.“
Anneliese Ts. Mann war an Alzheimer erkrankt, sie hat ihn viele Jahre gepflegt. Nach seinem Tod fehlte ihr zunächst die Kraft zum Weiterleben. Ihre Tochter hat gespürt, dass sie manchmal gern mehr als eine Schlaftablette genommen hätte, und sie hat arrangiert, dass Nachbarn ihr jeden Abend eine Tablette im Umschlag in den Briefkasten warfen. Die Trauer um ihren Mann ist immer noch da, aber sie hat sich verändert. „Zum Friedhof gehe ich jetzt noch jeden zweiten Tag, früher zweimal am Tag.“ Auch wenn Sohn, Tochter und Enkelkinder sonntags oft anrufen, spürt Anneliese T. am Sonntag eine große Einsamkeit.
©Silvia BinsSie geht sonntags um 11 Uhr zur Messe, danach in ein Fitnessstudio. „Wenn ich dann nach Hause komme, ist der Tag schon halb vorbei.“ Sie löst Sudokus oder liest ein Buch. „Auf keinen Fall will ich nachmittags schon fernsehen.“ Deshalb backt sie fast jeden Sonntag, probiert immer wieder Neues aus. „Das Klappern mit den Backblechen füllt wohl irgendwie die Stille im Haus“, sagt sie lächelnd. Einmal in der Woche bringt sie das Gebäck dann zu Tochter, Schwiegersohn und Enkelkindern. Und am Sonntagabend trifft sie sich regelmäßig mit zwei befreundeten Frauen, die auch alleine sind. „Dann lassen wir den Sonntag gemeinsam in einem gemütlichen Restaurant ausklingen.“
Einfach mal nichts tun ...
Seit 15 Monaten lebt Gunnar B. (26) in der Südstadt und genießt es, hier zum ersten Mal in seinem Leben eine eigene Wohnung zu haben.
Die Frage, ob ihm der Sonntag heilig sei, verneint der junge Mann ganz klar. Er betont aber, dass ihm der Sonntag trotzdem wichtig ist, weil er ruhiger ist als die Werktage, weil er diesen Tag ganz frei gestalten kann, weil er auch einmal gar nichts tun kann. Oft dient ihm der Sonntag in erster Linie dazu, sich vom samstäglichen Feiern zu erholen. Manchmal beschäftigt er sich sonntags mit Hausarbeit, fährt Fahrrad oder Motorrad, er besucht auch gerne seine Mutter oder lädt sie zu sich ein. Aufs Einkaufen verzichtet er sonntags bewusst, hier entdeckt der bekennende Atheist in sich die christlichen Werte, die ihm seine Mutter in ihrer Erziehung vermittelt hat.
Um die Kinder kümmern ...
Hanife D. (42) ist in der Türkei aufgewachsen – zunächst auf dem Land, später in Ankara, seit 1989 lebt sie mit ihren drei Kindern in der Kölner Südstadt. Sie genießt den Sonntag als arbeitsfreien Tag, an dem sie Zeit für sich und für die Kinder hat. Ihr Großvater sei sehr gewissenhaft jeden Freitag zum Gebet in die Moschee gegangen, auch ihr Onkel tue das heute noch, ebenso einer ihrer beiden Brüder. In ihrer Heimat seien am Freitag auch alle Geschäfte zu. „Für Frauen ist das Freitagsgebet keine Pflicht.“ erklärt sie, allerdings gehen Frauen aus ihrem Freundeskreis auch zur Moschee, wo sie getrennt von den Männern beten. Manchmal liest Hanife D. mit anderen Frauen zusammen im Koran. Sie selbst betet zu Hause. „Gott und ich allein, das genügt mir“, betont sie mit Nachdruck. „Ich bete zu Gott, dass er mir hilft, und das macht mich stark.“ Überzeugt ist Hanife D. davon, dass Religionen zwar verschieden sind, aber „Gott ist gleich.“
Zeit für den Enkel ...
©Silvia Bins„Am Sonntag brauche ich nicht raus, da habe ich keine Verpflichtungen, man ist ruhiger, ich lese oder gehe spazieren.“ So bewusst erlebt Irmgard D. den Sonntag erst seit drei Jahren – die jetzt 61jähige Altenpflegerin musste aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf aufgeben und ist seither erwerbsunfähig: Eine Situation, die mit deutlichen finanziellen Einschränkungen verbunden ist. „Früher habe ich oft auch sonntags Dienst gehabt, da gab es nicht so große Unterschiede zum Werktag.“ Obwohl sie nicht mehr berufstätig ist, stellt sie sich an Wochentagen den Wecker und steht früh auf. Sie vermisst ihren Beruf sehr. Einen Ausgleich findet sie in ehrenamtlicher Tätigkeit mit Bewohnern eines Altenheimes. Sie spielt mit ihnen Bingo, liest vor, hört zu, ist einfach da, allerdings nicht am Sonntag. Da nimmt sie sich Zeit für sich und manchmal auch für ihren Enkel.
Seit fast 35 Jahren arbeite ich am Wochenende ...
Über viele Jahre hat die 72jährige Gastwirtin mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann eine Gaststätte geführt. Nun ist der Sohn der Chef und sie der gute Geist in der Küche. „Der Sonntag ist einfach anders, das spüre ich schon beim Aufstehen. Ich gehe mal außer der Reihe zum Friedhof oder am Rhein spazieren, auch schon mal in die Kirche.“ Für Hermi H. ist das ein deutlicher Unterschied zum Werktag – auch wenn sie sonntags ab 17.30 Uhr in der Küche steht – denn in der Woche gibt es viele Vorbereitungsarbeiten, bevor die Arbeit in der Gaststätte beginnt. Ab und an hält Hermi H. ihrem Sohn den Rücken frei und ermöglicht ihm einen arbeitsfreien Sonntag, damit er ganz für seine Familie da sein kann. Sie ist überzeugt, dass genau das auch im Sinn ihres verstorbenen Mannes ist, denn „ihm waren Sonn- und Feiertage genau so wichtig wie mir.“
Auch am Sonntag ist Rufbereitschaft...
„Sonntag ist für mich ein normaler Arbeitstag, das liegt in der Natur meiner Arbeit“, sagt Thomas K. (48 Jahre). Für einen Bestatter gehöre permanente Rufbereitschaft zum Beruf, dafür gebe es natürlich an anderen Tagen auch einmal Ruhezeiten, da müsse man halt flexibel sein. Mit Nachdruck sagt er, dass ihn das nicht stört – außer wenn er bei privaten Festen plötzlich weggerufen wird.
Dennoch hat der Sonntag eine besondere Prägung für ihn. „Da habe ich mehr Ruhe, Ämter und Behörden haben geschlossen, das Telefon ist eher still. Ich kann mich dann besser konzentrieren und auf das Gespräch mit den Angehörigen eines Verstorbenen einstellen.“ Und das ist Thomas K. besonders wichtig.
Ich werde auch sonntags gebraucht...
Mit Mirja M. spreche ich im Altenheim St. Josef. Die 67jährige kommt aus Indien, lebt und arbeitet schon viele Jahre in Deutschland. Schon ihre Kinder- und Jugendzeit in Indien war sehr religiös geprägt. Das biblische Wort „Am siebten Tag ruhte Gott“ bedeutet für sie, besonders am Sonntag „mein Dasein, meine Arbeit sehr bewusst vor Gott zu stellen.“ So ist es für sie auch kein Problem, wenn sie am Sonntag Dienst im Altenheim hat: „Arbeit kann Gebet sein“, sagt sie ohne Zögern. Viele der Bewohner des Altenheimes sind nicht mehr so gut orientiert, dass sie den Sonntag vom Werktag unterscheiden können, nur für einige wenige ist das möglich. Dafür gibt der samstägliche Gottesdienst, für den im Aufenthaltsraum ein Altar hergerichtet wird, den Besuchern das Gefühl von Sonntag. Davon ist Mirja M. überzeugt. |