Drei Tage alt ist das Ur-Enkelkind.
Liebe Oma,
Du hast Dich unheimlich gefreut, als wir Dir mitteilten, dass wir Dein erstes Urenkelkind
erwarten. Du hast sofort zu Strick- und Häkelnadeln gegriffen.
Nun ist Johannes schon sechs Monate alt und unser ganzer Stolz. Wenn wir Dich besuchen, sagst
Du immer: „Da kommt ja mein kleines Heidenkind“. Dies zeigt mir, dass Du Dir Sorgen
machst, weil Johannes noch nicht getauft ist, und wir die Taufe erst in ein paar Monaten feiern
wollen.
Ich weiß, dass in der Vergangenheit die Kirche die Taufe als unverzichtbar für das Seelenheil
angesehen hat. Ungetaufte Kinder konnten also nicht in das Paradies oder auch nur in einen anderen
Ort der Glückseligkeit eingehen. Nottaufen noch im Kreißsaal und die Taufe der Säuglinge ein paar
Tage nach der Geburt waren die logischen Konsequenzen dieser Überzeugung.
Da aber die Säuglinge ohne jegliches persönliches Verschulden vom Himmel ausgeschlossen waren,
konnten sie nicht in die „normale“ Hölle kommen. Die Theologen unterstellten einen
besonderen Ort am Rand der Hölle, Vorhölle oder Limbus genannt. Die ungetauften Säuglinge sollten
dort keiner körperlichen Strafe unterliegen, sondern in einem rein natürlichen Glückszustand
leben.
In einer Verlautbarung des Vatikans aus dem Jahr 2007 heißt es, dass die Vorstellung des Limbus
nie Teil der offiziellen Kirchenlehre gewesen sei und eine „unzulässig eingeschränkte Sicht
der Erlösung“ darstelle. Der Ausschluss von unschuldigen Babys aus dem Himmel sei nicht mit
der besonderen Liebe Christi für Kinder vereinbar; Gott sei gnädig und wolle, dass alle Menschen
erlöst werden.
Du siehst, dass Du Dir keine Sorgen um Johannes machen musst, da er zudem kerngesund ist. Wir
werden die Taufe von Johannes zu einem Termin begehen, wo unsere ganze Familie und alle unsere
Freunde dabei sein können. Es soll ein großes Fest werden, denn nur einmal im Leben wird man zum
Kind Gottes.
Dein B.