* 2. Mai 1660 in Palermo/Sizilien
† 22. Oktober 1725 in Neapel
Portrait
Italienischer Komponist des Barock mit vielfältigem Œuvre, gilt als Erneuerer der Barockmusik; Kapellmeister
Alessandro Scarlatti entstammt einer Musikerfamilie und war der älteste Sohn des Sängers Pietro Scarlata (ursprüngliche Form des Familiennamens) und Eleonora d'Amato. 1672 wurde er gemeinsam mit zwei Schwestern zur Ausbildung nach Rom geschickt. 1678 erhielt Scarlatti das Amt eines Kirchenkapellmeisters in Rom und heiratete am 12. April desselben Jahres Antonia Anzalone, die ihm 7 Söhne und 3 Töchter gebar, darunter Domenico (1685), der nach Alessandro berühmteste Musiker der Familie Scarlatti.
Aufgrund des Erfolges seiner im Palazzo Bernini in Rom 1679 und auch andernorts aufgeführten Oper Gli equivoci nel sembiante ernannte ihn die in Rom im Exil lebende Königin Christine von Schweden zum Kapellmeister. In der von ihr gegründeten „Arcadia“ war Scarlatti seit 1706 angesehenes Mitglied. Ebenso wurde er vom römischen Adel zeit seines Lebens geschätzt und unterstützt.
Aus seinem ersten Aufenthalt in Rom sind 5 Opern, 6 Oratorien und zahlreiche Kantaten bekannt.
1679-1682 war er Kapellmeister am Oratorio San Marcello und 1683 an San Girolamo della Carità. 1683 verließ er Rom, wahrscheinlich auf Einladung des Vizekönigs von Neapel, Marchese di Carpio, wo er zunächst Leiter einer Truppe am Teatro San Bartolomeo war und 1684 Hofkapellmeister und damit mittelbar Nachfolger von Pietro Andrea Ziani wurde. Diese Stelle hatte er, von einer kurzen Unterbrechnung Anfang 1688 abgesehen, bis 1703 inne. In diesen 18 Jahren konnte er über die Hälfte der Opernproduktionen in Neapel mit eigenen Werken bestreiten: ca. 80 Opern hat er nach eigenen Angaben in dieser Zeit komponiert, wovon ca. 40, z.T. nur fragmentarisch, erhalten sind. Viele von ihnen wurden schnell in Italien und international (Deutschland, England) verbreitet. 7 Serenaten, 9 Oratorien und 65 Kantaten sind in diese Zeit zu datieren, nicht alle jedoch für Neapel komponiert, sondern vor allem auch für den römischen Adel (wie auch einige seiner Opern).
Politische Unruhen und Unzufriedenheit mit dem Geschmack seiner Dienstherren bewogen ihn, sich nach einer neuen Stelle umzusehen. 1702 bemühte er sich erfolglos um eine Anstellung in Florenz; Ferdinando de' Medici unterstützte jedoch in den folgenden Jahren Aufführungen seiner Werke. Von April 1703 bis 1708 hielt er sich überwiegend in Rom auf. Wegen des Widerstandes der Kirche gegenüber der Oper komponierte er 1704-06 vor allem Kantaten, Serenaten und Oratorien, zum Teil für San Maria Maggiore, wo er seit 31. Dezember 1703 Substitut und seit Mai 1707 Kapellmeister war.
Opernaufträge für Venedig waren Misserfolge. Seine finanzielle Situation muss um 1707 sehr prekär gewesen sein, wie ein Hilfsgesuch an Ferdinando de' Medici zeigt. Nach dem Ende der spanischen Herrschaft in Neapel wurde Scarlatti am 1. Dezember 1708 vom österreichischen Vizekönig, Kardinal Vincenzo Grimani (1655-1710), erneut zum Kapellmeister der Cappella Reale in Neapel ernannt. Im Januar 1709 wurde in Neapel sodann seine neue Oper Teodosio aufgeführt. Seine zweite Amtszeit ist besonders durch eine Reihe glanzvoller, aufwendig ausgestatteter Operninszenierungen am Teatro San Bartolomeo gekennzeichnet, von denen Tigrane besonderen Erfolg hatte, und das Spätwerk Griselda (1721) durch die Nachwelt besondere Anerkennung fand. In dieser Zeit entstanden 11 Opern, die erstmals auch Buffoszenen enthielten, sowie Instrumentalmusik, u. a. 12 Concerti grossi.
Von 1717 bis 1722 hielt Scarlatti sich wieder überwiegend in Rom auf. Von dort erlebte er auch den Erfolg seiner Opera buffa Il trionfo dell' onore. Wie aus der Widmung seiner 1716 entstandenen Missa Clementina II hervorgeht, hatte Papst Clemens XI. ihn 1715 zum Ritter geschlagen. In Rom schloss Scarlatti die Reihe seiner Opern mit mehreren Werken für das Teatro Capranica ab. Die im Januar 1721 aufgeführte Griselda bezeichnete er im Vorwort des gedruckten Librettos selbst als seine 114. Oper. Die letzten Jahre verbrachte Scarlatti wieder in Neapel; es entstanden nur noch sehr wenige Kompositionen.
Zu seinen Schülern gehörten außer seinem Sohn Domenico, Francesco Saverio Geminiani und Johann Adolph Hasse.
Sein Grab befindet sich in der Kapelle der Hl. Cecilia in der Kirche Santa Maria di Montesanto zu Neapel. Die von Pietro Ottoboni verfasste Grabinschrift lautet: Heic situs est / eques Alexander Scarlatus / vir moderatione beneficentia / pietate insignis / musices instaurator maximus (Hier ruht der Ritter Alexander Scarlattus, ausgezeichnet durch Selbstbeherrschung, Freigiebigkeit und Güte, größter Erneuerer der Musik).
Scarlatti gehört keiner bekannten Schulrichtung an. Es ist so gut wie nichts über seine Lehrer und auch nur wenig über seine Schüler bekannt (sicher ist allerdings, dass er seinen Sohn Domenico und Johann Adolph Hasse unterrichtet hat). Zweifellos hat sein Werk zur Ausbildung der Neapolitanischen Schule beigetragen, doch kann weder er als Haupt dieser Schule noch sein Werk als charakteristisch für diese gelten. Scarlattis umfangreiches Opernschaffen stellt gewissermaßen ein Bindeglied zwischen venezianischer und neapolitanischer Oper dar. Noch in die frühe venezianisches Oper weist sein expressives, am Ideal des „imitar le parole“ orientiertes Rezitativ zurück. Scarlatti wurde deswegen 1728 von Johann David Heinichen (1683-1729) angegriffen. Die von ihm verwendeten gebundenen Formen sind variabel: Selbst die Da capo-Arie ist - ebenso wie der ihr zugrunde liegende Affekt - stets auf die Situation der Szene bezogen und in ihrer Anlage nie schematisch. Bezeichnend dafür sind Scarlattis liedhafte Buffoarien, die oft folkloristische Elemente aufweisen. Seine Ensemblesätze sind im Kern zweistimmig. Scarlattis Kirchenmusik (Messen und Motetten) ist überwiegend im „stile antico“ der Palestrina-Tradition geschrieben. Die Oratorien sind teilweise opernhaft gestaltet.
Werke
Scarlatti schrieb 115 Opern, u. a. Gli equivoci nel sembiante (Rom, 1679), Mithridate Eupatore (Venedig, 1707), Il Trionfo dell' Onore (Neapel, 1718), Griselda (Rom, 1721), etwa 800 italienische Kantaten für 1-2 Stimmen und Basso continuo, teilweise mit Instrumenten, 16 Messen, 22 Oratorien darunter Agar ed Ismaele esiliati, La Giuditta (2 Fassungen), S. Maria Maddalena de' Pazzi, Il Sedecia, Cain ovvero Il primo omicidio, La SS. Trinità, ferner eine lateinische Johannes-Passion, über 100 Motetten, 12 Sinfonie di concerto grosso (um 1715), 6 Concerti für 2 V, 2 Vc und Streicher.
Quellen und weiterführende Links:
Marc Honegger/Günther Massenkeil (Hrsg.): Das große Lexikon der Musik, Band 7, Verlag Herder Freiburg, 1992
Lexikon der klassischen Komponisten, Nikol Verlagsgesellschaft mbH Hamburg, 1996
Martin Hoffmeister in: Siegmar Hohl (Hrsg.): Musikführer. Oper, Operette, Musical, Ballett, Konzert, Orbis Verlag München, 1995
Renate Hübner-Hinderling: Alessandro Scarlatti In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band VIII, BBKL Herzberg 1995, ISBN 978-3-88309-053-5, Spalten 1496-1498