Erschallet, ihr Lieder, erklinget, ihr Saiten! BWV 172
Bach war in Weimar Hoforganist von Johann Ernst von Sachsen-Weimar und wurde am 2. März 1714 zum Konzertmeister ernannt. Damit ging die Aufgabe einher, monatlich eine geistliche Kantate in der Schlosskirche aufzuführen. Erschallet, ihr Lieder, erklinget, ihr Saiten! BWV 172 ist die dritte Kantate dieser Reihe, komponiert zum 1. Pfingsttag 1714, Uraufführung in der Schlosskapelle am 20. Mai 1714, nach Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen BWV 12.
Die Dichtung für die Sätze 1 und 3 bis 5 wird Salomon Franck zugeschrieben, obwohl das Werk nicht in seinen gedruckten Werken zu finden ist. Doch mehrere Stilmerkmale - das Bibelwort als Rezitativ im zweiten Satz statt als Eingangschor, Arienfolgen ohne verbindendes Rezitativ, Dialoge im Duett - finden sich sämtlich in dieser Kantate.
Das Uraufführungsmaterial ist erhalten und belegt, dass die Kantate in Leipzig 1724 wieder aufgeführt wurde. Bach revidierte sie dort ein weiteres Mal 1731. Eine Stimme für obligate Orgel anstelle von Oboe und Cello im fünften Satz existiert für eine noch spätere Aufführung. Alfred Dürr folgert: »Alle diese Änderungen zeigen, wie sehr Bach sich gerade um dieses Werk bemüht hat, das er […] besonders geliebt zu haben scheint.«
Aufbau und vollständiger Text der Kantate
1. Coro
Der Eingangschor ist ein festlicher Konzertsatz, dessen Worte und Musik möglicherweise auf einer früheren verlorenen Glückwunschkantate basieren. Eine Ausgabe von Francks Werken enthält eine Kantate zu Neujahr Erschallet nun wieder, glückwünschende Lieder, die als Modell gedient haben mag. Der Satz ist in da capo-Form. Der erste Teil wird von Trompetenfanfaren eröffnet, die mit Koloraturen der Streicher abwechseln. Die Singstimmen setzen homophon ein und wiederholen sowohl die Fanfarenmotive als auch die Streicherfiguren. Der Höhepunkt wird erreicht in langgehaltenen Akkorden auf der ersten Silbe von „seligste Zeiten“, während die Instrumente die Fanfaren fortsetzen. Im Mittelteil pausieren die Trompeten, die Stimmen drücken in polyphoner Imitation den Gedanken aus „Gott will sich die Seelen zum Tempel bereiten“. In einer ersten Folge von der tiefsten zur höchsten Stimme setzt die nächste Stimme nach drei oder vier Takten ein, in einer zweiten Folge von den höchsten zu den tiefsten Stimmen erfolgen die Einsätze noch dichter bereits nach einem oder zwei Takten.
O seligste Zeiten! Gott will sich die Seelen zu Tempeln bereiten.
2. Rezitativ (B)
Das Rezitativ basiert auf Johannes, 14, 23. Am Ende bekommt das Rezitativ eine ariose Form, wodurch die Schlusstakte besonders hervorgehoben werden.
Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.
3. Aria (B)
Für die Arie Heiligste Dreieinigkeit wählte Bach die seltene Besetzung von Trompetenchor und Solobass im Wechsel. Eine Instrumentation, die zur damaligen Zeit ein besonderes Gewicht dadurch erhält, dass die Trompete als spezifisch „höfisches“ Instrument gilt und hier deswegen eingesetzt wird, um die Königsherrschaft Gottes zu symbolisieren.
Heiligste Dreieinigkeit, Großer Gott der Ehren, Komm doch, in der Gnadenzeit Bei uns einzukehren, Komm doch in die Herzenshütten, Sind sie gleich gering und klein, Komm und lass dich doch erbitten, Komm und ziehe bei uns ein!
4. Arie (T)
Die Arie O Seelenparadies steht zur Prachtentfaltung des Eingangssatzes und der Arie, Satz 3, im Kontrast. Der Text spricht vom »Wehen des Geistes Gottes«, der durch die fließenden Bewegungen der Violinen zum Ausdruck gebracht wird. Aber auch der gewählte Dreiertakt erweckt den Eindruck des Gelöstseins.
O Seelenparadies, Das Gottes Geist durchwehet, Der bei der Schöpfung blies, Der Geist, der nie vergehet; Auf, auf, bereite dich, Der Tröster nahet sich.
5. Duett (S, A)
Höchst kunstvoll ist Satz 5, ein Duett von Seele (Sopran) und Heiliger Geist (Alt), unterstrichen durch ein instrumentales Zitat von Martin Luthers Choral Komm, Heiliger Geist, Herre Gott, der auf Veni creator spiritus basiert.
SEELE:
Komm, lass mich nicht länger warten, Komm, du sanfter Himmelswind, Wehe durch den Herzensgarten!
Hl. GEIST:
Ich erquicke dich, mein Kind.
SEELE:
Liebste Liebe, die so süße, Aller Wollust Überfluss, Ich vergeh, wenn ich dich misse.
Hl. GEIST:
Nimm von mir den Gnadenkuss.
SEELE:
Sei im Glauben mir willkommen, Höchste Liebe, komm herein! Du hast mir das Herz genommen.
Hl. GEIST:
Ich bin dein, und du bist mein!
6. Choral
Im Schlusschoral, der vierten Strophe aus Wie schon leuchtet der Morgenstern von Philipp Nicolai tritt, wie oft in Bachs frühen Kantaten, zum schlicht vierstimmigen Chorsatz mit Instrumenten noch eine selbständige, fünfte Stimme der 1. Violine.
Wenn du mit deinen Äugelein Mich freundlich tust anblicken. O Herr Jesu, mein trautes Gut, Dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut Mich innerlich erquicken. Nimm mich Freundlich In dein Arme, dass ich warme werd von Gnaden: Auf dein Wort komm ich geladen.
7. Coro = 1. Coro
Besetzung:
Soli SATB, vierstimmiger Chor, festliches Orchester: drei Trompeten, Pauken, Oboe (in späteren Fassungen Oboe d'amore oder Orgel), Streicher, Violoncello, Fagott und Basso continuo
Drei Trainingsstufen sind verfügbar: die 1. Stufe enthält nur eine Stimmlage (z.B. Alt) mit Metronom. So kann man zunächst das Tempo lernen und die Partitur verstehen. Die 2. Stufe enthält alle Chorstimmen, wobei der eigene Part lauter gespielt wird als die anderen Stimmen. In der 3. Stufe werden alle Stimmen mit der gleichen Lautstärke und dem gleichen Klang erzeugt.