Erst ein Geldschein machte Zöllner "blind"

Rumänienhilfe: Fünftes Kinderhaus ist geplant
9. Oktober 2001; | NGZ | von Christoph Kleinau


An die Korruption in Rumänien wird sich Tischlermeister Wolfgang Kriesemer nicht gewöhnen, doch deshalb sein Engagement für die Kinder in diesem osteuropäischen Land keineswegs einschränken. Im Gegenteil. Über die Weihnachtspäckchen-Aktion hinaus, die im November angeschoben wird, denkt und plant Kriesemer schon für das nächste Frühjahr, wenn in Kapra Alexa mit Neusser Spendengeldern das inzwischen fünfte Haus für Straßenkinder in Angriff genommen wird.


Ein Grundstück von 2.800 Quadratmetern Größe samt - abrissreifem - Kotten hat Kriesemer bei seinem jüngsten Besuch für den "Verein für verlassene Kinder" schon gekauft. Dieser Besuch begann mit einer unangenehmen "Neuerung". Damit ist keineswegs die selbstverständliche Hilfsbereitschaft von drei Zügen der Schützenlust gemeint, die zur Stelle waren, als 100 Kubikmeter Hilfsgüter transportbereit verladen werden mussten. Nein, die Neuerung gegenüber anderen Transporten trat in Person von zwei Beamten der obersten Kontrollbehörde des Zolls in Arad auf, als der Lastzug entladen wurde.

"Jeden Karton ließen sie sich öffnen", erzählt Kriesemer, "selbst der Hinweis auf die Desinfektion der Textilien hielt sie nicht davon ab." Waschmittel, etwa 3.000 Paar Schuhe und eine nagelneues Elektro-Schweißgerät wollten die Zöllner gar beschlagnahmen. "Erst das Verdecken beider Augen mit einem Geldschein machte sie blind", schildert Kriesemer seine erfolgreiche Bestechung. An diese Korruption werde er sich nie gewöhnen, sagte er, der schon seit acht Jahren mit Unterstützung der Neusser Bürger und Firmen dort humanitäre Hilfe leistet.

Bei diesen Spendern wollte sich Kriesemer noch entschuldigen. Entschuldigen, weil er einem Hilferuf aus dem Heim für Straßenkinder in Wolfsberg folgte und 200 Mark herausgab, um so 15 Kindern und ihren drei Betreuern ein Abend- und ein Mittagessen zu spendieren. In dieses Heim im Nachbarkreis von Arad war er mit Dolmetscherin Ana Ilica gekommen, um sich dort ein Bild von der Arbeit mit diesen Kindern zwischen drei und 13 Jahren zu verschaffen. Vor Ort in Wolfsberg konnte Kriesemer nicht allein mit Geld helfen.

Denn er lernte unter den Straßenkindern zwei Mädchen kennen, deren vier Geschwister im vierten Kinderhaus in Santana, das im Juni eröffnet und "Casa Vera" getauft wurde, von Pflegeeltern betreut werden. Kriesemer: "Sofort wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Heute sind sechs von acht Kindern in diesem Haus wieder vereint." Wer den Bau des fünften Kinderhauses unterstützen will, kann seine Spende unter dem Stichwort "Arad" auf das Konto der Katholischen Kirchengemeinde St. Konrad bei der Sparkasse Neuss überweisen. Kontonummer: 290585.

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