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Unsichtbare Grenze fällt

29. August 2016; Dr. Joachim Oepen

Brunnen am Karl-Berbuer-Platz
Brunnen am Karl-Berbuer-Platz

Nach 910 Jahren gibt es eine neue Pfarrei-Grenze.

Zur Gemeinde St. Severin zählen nun 49 neue Pfarrangehörige, nachdem Anfang des Jahres 2016 die Grenzen der Pfarrgemeinde verändert wurden.

 

Hintergründe und Bedeutung dieses ungewöhnlichen Vorganges erläutert Dr. Joachim Oepen vom Kirchen-vorstand im gerade erschienenen Pfarrbrief:

  

Ausgangspunkt ist ein nicht sonderlich spannender Verwaltungsakt: Im gesamten Erzbistum Köln wurden die Pfarrgrenzen neu beschrieben, weil es doch eine Reihe von Ungenauigkeiten und unklaren Zugehörigkeiten gab. Dabei fiel auch auf, dass am Karl-Berbuer-Platz die linke Seite (von der Severinstraße aus gesehen) zu St. Severin gehörte, auf der rechten Seiten aber zwei Häuser zu St. Pantaleon und vier zu St. Georg, obwohl sie durch die dahinter verlaufende Nord-Süd-Fahrt und die Auffahrt zur Severinsbrücke doch vollkommen isoliert vom jeweils übrigen Pfarrgebiet liegen. Daher wurde hier eine sinnvolle Korrektur vorgenommen. Alle Häuser bzw. die dort lebenden Katholikinnen und Katholiken am Karl-Berbuer-Platz gehören jetzt zur Pfarrgemeinde St. Severin, und die Pfarrgrenze zu St. Pantaleon und St. Georg verläuft jetzt nicht mehr über den Karl-Berbuer-Platz, sondern über die Nord-Süd-Fahrt und die Auffahrt zur Severinsbrücke.

 

Soweit der Sachverhalt, der in einem Pfarrbrief wirklich nicht mehr als eine Fußnote wert wäre. Interessant sind aber die Hintergründe – und die beginnen mit der Frage, warum denn die bisherigen Pfarrgrenzen im Bereich des Karl-Berbuer-Platzes so merkwürdig unpraktisch verliefen. Dabei wird schnell klar, dass sich durch den Bau von Nord-Süd-Fahrt und Severinsbrücke in den 1950er und 1960er Jahren die gesamte Gegend vollkommen verändert hat. Die Pfarrgrenzen müssen also älter sein; und es ist erstaunlich, wie alt sie sind: ziemlich genau 910 Jahre! Wir müssen also zurück ins Jahr 1106 gehen.
Damals wurde das ursprüngliche römische Stadtgebiet Kölns erweitert, wobei im Süden der "neue" Stadtgraben von 1106 noch heute anhand der Straßennamen und -verläufe zu erkennen ist:
Katharinengraben, An St. Katharinen, Karl-Berbuer-Platz und Perlengraben. Am Ende des Perlengrabens trafen Stadtgraben und -grenze auf die alte Römermauer, die heute ja ebenfalls noch erkennbar ist. Die Stadtgrenze von 1106 war nun aber zugleich auch die Pfarrgrenze von St. Johann Baptist nach Süden hin. Und tatsächlich hat dann das Stück Grenzverlauf über den Karl-Berbuer-Platz (zwischen St. Severin und St. Georg) und weiter in Richtung Perlengraben (etwa dort, wo zwischen den Häusern die Fußgängerbrücke beginnt; zwischen St. Georg und St. Pantaleon) über viele hundert Jahre bis 2016 sämtliche Änderungen von Pfarrgrenzen, Fusionen und Aufhebungen von Pfarrgemeinden, Stadterweiterungen sowie Veränderungen von Straßenverläufen und Bebauung überstanden!


Wenn nun nach 910 Jahren eine solche Korrektur vorgenommen wird, geht damit auch ein Stück Stadtgeschichte verloren, was aber kein Argument sein darf, den Vorgaben heutiger Lebenswirklichkeiten nicht zu folgen. Anhand dieser Fakten sind aber auch generelle Eigentümlichkeiten von Grenzen und Grenzverläufen erkennbar. Im Blick haben wir die Konsequenzen von Grenzen meist dort, wo sie Menschen in extremer Weise voneinander trennen oder schier unüberwindbar erscheinen – sei es die Berliner Mauer oder seien es aktuell Staatsgrenzen, an denen verzweifelte Flüchtlinge scheitern.
Dabei übersieht man leicht, dass Grenzen oft viele Jahrhunderte erstaunlich stabil und wirkmächtig sind, manchmal sogar, wenn es sie offiziell gar nicht mehr gibt oder man sie gar nicht sieht. Ein Musterbeispiel dafür ist der kleine Vinxtbach, der bei Bad Breisig in den Rhein mündet. Im 1. Jahrhundert n. Chr. bildete er die Grenze zwischen den römischen Provinzen Ober- und Niedergermanien, und noch heute ist er eine Grenze zwischen dem moselfränkischen und dem ripuarischen Dialekt ("Kölsch"). Ähnlich verhält es sich mit der kürzlich verschwundenen Pfarrgrenze am Karl-Berbuer-Platz: Auch sie war unsichtbar, aber viele Jahrhunderte alt und Teil einer früheren Kölner Stadtgrenze. Erst jetzt, nach 910 Jahren ist sie Geschichte.

 

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